„Es gibt Situationen, wo ich so in den Flow komme, das ist der Hammer, ich seh dann nur noch, ich bin dann nur noch Auge. Das ist dann blindes, also Wortloses verstehen.“ Der neue Bildband PAARE von Anja Müller zeigt Paare ganz intim und authentisch.
Anja Müller, 1971 geboren in Ostberlin, fotografiert, seit sie 12 Jahre alt ist. Ihre Lieblingsmotive sind dabei Menschen. Im Jahr 2000 hat sie ihre erstes Buch „Frauen“ veröffentlicht. Sieben weitere sind bisher gefolgt und jetzt soll ihr neuster Bildband PAARE kommen. Der befindet sich derzeit noch in der Finanzierungsphase und kann über Crowdfunding unterstütz werden. Warum solltet ihr sie unterstützen – was macht ihre Bilder so besonders – anders?
Wie lange fotografierst du schon und was macht den besonderen Reiz des Fotografierens für dich aus?
Ich fotografiere schon immer. Und schon immer Menschen. Mich interessieren Beziehungen. Wer was warum wie macht. Ich möchte Kontakt: sehen, spüren, aufnehmen. Mich interessiert der Körper und die Seele, die Intimität im Leben. Von der dokumentarischen (Straßenfotografie) bin ich über Porträts zur Erotikfotografie gekommen.
Du hast ja schon einige wunderbare Bildbände herausgebracht, die sich mit Paaren, Liebe, Nacktheit und Schönheit beschäftigen. Kannst du erklären, was dich daran so berührt? Oder warum du ausgerechnet so für dieses Thema „brennst“?
Das spannende an der Paarfotografie ist für mich eigentlich das DREIECK. Die Wechselbeziehung zwischen mir und dem Paar und zwischen den beiden PAARtnerInnen – miteinander und jeweils einzeln zu mir.
Dazu kommt, dass ich immer näher an die Menschen heran wollte. Fotografie ist dafür mein Medium. Fotografieren ist eine Erfüllung: im Kontakt sein, Ruhe finden, vom Moment getragen werden, fließen, Schönheit sehen und festhalten und hinterher beim Bilder anschauen: alles nochmal erleben und anderen die Möglichkeit geben, dabei zu sein, eigene Geschichten zu meinen Bildern zu entwickeln.
Wie findest du die Menschen, die sich so nackt machen für dich?
Die meisten Menschen sind schön, wenn sie mit dem Herz lachen, egal wie sie aussehen. Sie sind schön, wenn sie sich zeigen. Ich suche die Schönheit oft in der Stille, in der Versunkenheit, aber auch im direkten Blickkontakt mit mir. Es gibt Blicke auf meinen Bildern, die mir beim Anschauen unter die Haut gehen. Und das ist altersunabhängig. Die Schönheit ist für mich immer mit Offenheit und Verletzlichkeit verbunden – und auch die Erotik.
Wenn ich mich mit einem Menschen verbinde, auch wenn es nur fürs Fotografieren ist, sehe ich die schön.
Wie nimmst du den Modellen die Scheu vor der Kamera? Und weißt du, warum sich Ihre Modelle dafür entscheiden, sich nackt für ein Buch ablichten zu lassen?
Ich bin schamlos und respektvoll, interessiere mich für die Menschen vor meiner Kamera und das ist die beste Art für eine gute Atmosphäre beim Fotografieren.
Jedes, der von mir fotografierten Paare, umgibt eine Atmosphäre aus Zärtlichkeit und Zuneigung füreinander. Beim Fotografieren geht es mir um Nähe und Intimität, nicht um Voyeurismus.
Mit meinen Bildern will ich Berührung zeigen und berühren. Meine Fotografie bewegt sich dafür zwischen Inszenierung und Authentizität. Ich schaffe einen sicheren Raum, in dem sich das Paar mit seiner Nacktheit aufgehoben fühlt und mit sich füllen kann. Wenn ich das Paar auffordere, sich zu küssen, ist der Kuss ein echter Kuss, die Berührung eine echte Berührung. In alltagsweltlichen Settings eröffne ich einen nicht durch technische oder Beleuchtungsspielerei verstellten direkten Blick auf die Personen.
Die BetrachterInnen kennen weder Alter, noch Vorgeschichte, weder Berufe noch Herkunft, wissen nicht, wie lange die Paare schon zusammen sind, welche Beziehung sie miteinander verbindet. Aber auf meinen Bildern werden die Menschen für die BetrachterInnen vertraut. Auch wenn man das Bild so anschauen kann, wie man keinen fremden Menschen betrachten kann, werden die Betrachteten nie zum Objekt.
Ob melancholisch, euphorisch, leidenschaftlich, humorvoll oder pragmatisch, im Schlafzimmer, im Flur, in der Küche: Die Paare offenbaren, dass es viele Weisen gibt, sich zu lieben, sowohl körperlich als auch emotional.
Ist es nicht unüblich, die Bücher vorab zu verkaufen, damit sie überhaupt gedruckt werden können? Gab es keinen anderen Verlag bzw. warum entscheidest du dich für diese Verlegerin?
Ich finde es wichtig, dass es BÜCHER gibt und die Bilder nicht nur digital anzuschauen sind. Ein Buch ist sinnlich, man kann es anfassen, bewegen, in Zwiesprache mit Bildern oder Text gehen. Das Buch ist der beste Bewahrungsort für erotische Bilder. Es ist ein intimer Ort. Die Bilder, zwischen zwei Klappen gehalten, gebunden im Dunkel, zeigen sich erst beim (Ent)blättern.
Bildbände zu produzieren kostet Geld, viel mehr als Lesebücher. Die wenigsten Verlage können es sich noch leisten, schöne Bücher ohne Vorfinanzierung herzustellen.
Wenn ihr Anja Müller bei ihrem aktuellen Projekt unterstützen wollt, könnt ihr hier für ihre Crowdfunding Kampagne spenden oder einfach ein Bildband PAARE (45€) mit persönlicher Signatur vorbestellen.