Himmlische Höhenflüge

Wo das Feuer der Leidenschaft entflammt, dort wächst kein Gras mehr. Maria Advaita Bach berichtet hier mit großer Offenheit über die dramatischste ihrer Liebesbeziehungen und das dort erfahrene Wechselbad ihrer Gefühle. Eine Liebe, die so himmlisch begann und so tragisch endete.

Höre ich diese Worte, so spulen sich in meinem Kopf sofort viele Szenen aus meinem Leben ab, und ich fühle viele emotionale Schattierungen… Wer liebt, ist immer ohnmächtig – weil Macht und Liebe verschiedene Werte sind. Die Liebe öffnet sich im Herzen, das sehr verletzlich ist. Wer die Macht sucht, panzert sich gegen das Mitgefühl – wie sollte man sie sonst erlangen? Die Liebe ist du-orientiert, die Macht ist eindeutig ich-orientiert. Und dennoch ist es nicht immer richtig, sich für das Du zu entscheiden – egal wie viel wunderbare Liebespoesie uns schon in den Himmel gehoben hat –, haben wir doch auch schon reichlich Abstürze in die Hölle erfahren. Diese Hölle zu erleben hat aber auch ihren Wert. Sie führt in die Tiefe der Seele, und die kann daran wachsen – oder sich auch verdunkeln in Hass und Trauer für lange Zeit. Liebe und Verrat sind nicht zufällig seit Menschengedenken in allen Kulturen tiefe Themen, die niemals enden, und von den Künstlern aller Epochen und Stile wurden sie immer wieder aufgegriffen. Ob im Lied, im Gedicht, im Roman, im Film, im Drama – egal in welcher Epoche, vor welchem Hintergrund: Dieses Thema betrifft einfach jeden Menschen.

In einer Nacht, vor mehr als fünfzehn Jahren

Ich war in der Wohnung meines Geliebten, morgens um vier. Wir liebten einander leidenschaftlich, suchtartig, geradezu hypnotisiert von der körperlichen Chemie zwischen uns. Die Anziehung war magnetisch, kroch mir unter die Haut, ich war geradezu manisch fixiert auf die sexuelle Hitze, die dieser Mann in mir auslöste, die endlosen Liebesnächte; Zärtlichkeiten, die sich abwechselten mit animalisch guten Phasen – alle meine Körperzellen waren verrückt nach diesem Mann. Trotzdem stritten wir unaufhörlich; ja, der Ärger und die Wut stimulierten geradezu das Feuer der Vereinigung. Wir waren in seiner kleinen Wohnung, die ich als dreckig empfand, ungepflegt, voller Katzengerüche – im Gegensatz zu meinem gepflegten tantrischen Tempel mit Sauna und Terrasse. Ich ließ ihn das fühlen mit bösen Worten, ausdrucksstark und voller Verachtung im Klang meiner schneidenden Stimme. Ich wollte schnell zurück in meine duftenden Gefilde, weg aus diesem Loch im Hinterhaus. Obwohl ich genau wusste, dass diese Worte ihn rasend wütend machen würden, sprach ich sie aus, wie unter Zwang. Ich war ohnmächtig mir selbst ausgeliefert – es war die Macht der Zerstörung, die ich fühlen wollte.
Es kam, wie es kommen musste: Er wurde so unkontrolliert zornig, dass er mich schlug, mit der Faust mitten ins Gesicht. Meine Nase fing an zu bluten; ich erschrak ungeheuerlich, plötzlich war ich voller Angst, dass es noch schlimmer kommen könnte. Ich schrie laut, was ihn noch mehr erregte, wegen der Nachbarn und der nächtlichen Stunde. Also begann ich hemmungslos zu weinen, selbst um mich zu schlagen, ihn noch mehr zu beschimpfen, und die Szene eskalierte bis zum nackten Grauen… Ich ergriff die Flucht, er knallte die Tür hinter mir zu, mit heftigen Flüchen über dieses Teufelsweib, das ihn nie in Ruhe ließ mit ihrer scharfen Zunge. Nachdem ich zu Hause angekommen war, wurde ich von Konvulsionen der Verzweiflung erfasst – ich ahnte erschüttert, dass es bald vorbei sein würde mit unserer großen Liebe, die im Himmel begonnen hatte. Und ich ahnte, dass diese Nacht keineswegs der Höhepunkt des Leidens war, sondern nur eine Episode in einer langen Kette von qualvollen Nächten, in denen ich mich nach ihm sehnen würde ohne Ende; schlaflos, traumlos der Realität der endgültigen Trennung ausgeliefert.


Dieser Artikel erschien erstmalig in der Printausgabe „Macht & Ohnmacht“ des Magazins Connection Tantra. Wir danken dem Verlag für die Möglichkeit der Veröffentlichung!


Das lange Sterben einer großen Liebe

So geschah es dann auch… Ich sollte noch viele Tode sterben, bis ich wieder Ruhe finden konnte oder gar eine neue Beziehung eingehen. Und doch konnte ich einfach nicht wortlos seine Machtspiele hinnehmen – ich musste, so kam es mir vor, ich musste einfach aussprechen, was mir nicht gefiel. Sonst hätte ich mich unwürdig gefühlt, abhängig, klein; ein Mäuschen und nicht die stolze Frau, die ich doch in meinen eigenen Augen war. Und auch in seinen. Machte er mir doch Wahnsinnskomplimente in den Stunden der Harmonie und ekstatischen Liebe. Diese süßen Worte, die ich dann hassen lernte, weil ich immer mehr das Gefühl bekam, dass er sie einsetzte, um mich immer wieder schmelzen zu lassen in Weichheit und Hingabe, damit ich mich ihm öffnete, alle meine Körper- und Seelentore sperrangelweit und ungeschützt, damit er – so war mein Eindruck – sich als Mann damit brüsten konnte, mich klein zu kriegen. Heulen und Zähneklappern, Orgasmusschreie und Stöhnen – bei uns wackelte die Wand immer, entweder in Ekstase oder in Agonie. Wir schlugen Eifersuchtsschlachten, mal in die eine, mal in die andere Richtung. Ein Mal schleuderte ich mit Steinen nach ihm, warf sein Fahrrad in den Swimmingpool; er fesselte mich mit meinen eigenen Haaren an einen Pfahl! Manchmal auch vor prominenten Zeugen und Kollegen; hatte uns doch meine eigene Lehrerin, Margo, einen große Zukunft vorausgesagt als »juicy Tantra-couple«! Tarot aus der Mülltonne Die größte Verletzung meines Stolzes war, als er meine Tarot- Karten, mein magisches Medium, einzeln in Mülltonnen in mehreren Dörfern platzierte. Ich fühlte mich so sehr gedemütigt, als ich die Deckel der Mülltonnen hob, in der Hoffnung, sie seien noch drin – ich war an der Grenze dessen, was ich noch aushalten konnte.

Dann verkündete er mir am Morgen: »Mein Feuer für dich ist vollkommen erloschen!!« Und doch war ich am Abend desselben Tages bereit, nachdem er mich wieder verwirrt hatte mit Süßholzraspeln, in seine Arme zu sinken, um Sex zu haben bis zum Morgengrauen… Jedes Mal, wenn ich dann flüsterte: »Aber du hast doch heute morgen gesagt, du hättest kein Feuer mehr für mich …«, dann stieß er um so heftiger zu, um meinen Mund zu verschließen … und ich war wieder ihm und seiner verdammten Unwiderstehlichkeit ausgeliefert, wofür ich mich dann selbst wieder hasste… Das hört sich an wie die Ohnmacht zweier Sex- und Liebessüchtiger, die dahintaumelten im Rausch der Gefühle – ja, die waren wir, und die Gefühle waren sehr, sehr mächtig.

Der tantrische Liebessklave

Von allen Beziehungsdramen meines Lebens ist dieses bis heute unübertroffen an Destruktivität und Intensität. Aber es hatte doch so himmlisch angefangen! Nach zwanzig Jahren Freundschaft war unverhofft die tantrische Leidenschaft entflammt, und wir stürzten uns beide ohne jeden Vorbehalt in den alles verschlingenden Schlund des Feuers, das so verzehrend, aber auch so wunderbar war, so lustvoll, so ekstatisch, so unübertroffen von allem, was wir beide bis dahin erlebt hatten – und das war nicht wenig, auf beiden Seiten! Wir lebten auch noch eine Dreierbeziehung mit einem anderen Mann, was ich sehr geschickt einfädelte – und die lief bombastisch phantastisch für ein Jahr. Leider nur für ein Jahr. Aber das ist eine andere Geschichte in der Geschichte … Der Himmel sah so aus: Er warf sich vor mir auf die Knie, küsste meine Füße und sagte mit tiefer, wohlklingender Stimme: »Ich will dein Sklave sein, der Staub unter deinen Füßen, die Frucht, die du isst, dein Begleiter, immer an deiner Seite; ich will das tantrische Lager mit dir teilen und dir ungeahntes Vergnügen bereiten, bis deine Augen strahlen, die Laute der Lust aus deiner Kehle klingen wie der Gesang der Götter, deine Yoni tropft von meinem Saft und du, wenn du anderen Dingen nachgehst im Alltag, immerzu Sehnsucht nach mir hast und es nicht erwarten kannst wieder in meinen Armen zu liegen, damit unsere Liebeslaute aufsteigen zu Shiva und Shakti, und unser Glück wird strahlen und die Welt wird uns zu Füßen liegen …« Ich war wie bei all dem, was da in meine Ohren tropfte wie Honig, auch erschrocken. Ich sagte: »Bitte, steh auf! Ich will keinen Sklaven. Das wird sich rächen. Ein Sklave und eine Herrin haben keine Liebesbeziehung. Selbst in Ergebenheit wird er sie hassen tief drin, weil er hörig ist und nicht frei! Ich will einen Partner auf Augenhöhe! Nur Gleiche können einander lieben!« In jenem Augenblick aber war er nicht zu belehren – das Drama war noch weit weg. Bedenkenlos umschlangen sich unsere Seelen und Leiber immer wieder. Freunde, die uns beide kannten, warnten uns und sagten uns Mord und Totschlag voraus – wir lachten nur in der Selbstgewissheit der sich leidenschaftlich Liebenden! Wenn du etwas verlierst, dann behalte die Lektion!

Trotz Osho und Tantra und aller Weltenweisheit und all dem psychologischen Wissen, das uns zur Verfügung stand, war unsere Liebe nicht zu retten. Osho und Tantra haben mir dann sehr geholfen, die abrupte Trennung zu verarbeiten und die tausend Tode zu sterben, bis ich wieder bei mir war, bei mir, bei mir und nicht mehr immerzu in manischen Gedanken und Gefühlen und dann unerfüllten Sehnsüchten bei ihm, bei ihm, bei ihm… Die Reichianische Körpertypenlehre half mir dann auch, später, zu analysieren, wieso das alles so kommen musste: ein manipulativer Psychopath und eine Rigide! Wer das Büchlein kennt von Roman Bäurle »Vom Typentrauma zum Traumtypen«, kann dort in kurzen Sätzen nachlesen, wie die unvermeidlichen neurotischen Muster dieser beiden Charaktere wohl eine feurige Beziehung generieren, aber diese Beziehung kann nicht von Dauer sein… Mit anderen Worten: Unser beider Verletzungen aus der Kindheit waren zu tief, um im Rausch – aber der war ja so schön! – die sensible Dynamik auszutarieren, die nötig gewesen wäre, um uns dauerhaft auf dieser Ebene zusammen zu bringen. Und diese Verletzungen waren nicht genügend bearbeitet … Wer im Rausch ist, hat keine Gelassenheit. Ja, und natürlich auch nicht die Ruhe und Vernunft – aber diese Qualitäten hören sich für leidenschaftlich Liebende an wie gähnende Langeweile.

Wir sind heute wieder Freunde, auch wenn wir uns selten sehen. Es hat lange gedauert, bis alle Flämmchen des ewigen Argumentierens, der Verletzung, des Feuers, sowohl das der Attraktion als auch das des Streits, in mir zur Ruhe gekommen waren. Nie habe ich mich so ohnmächtig gefühlt oder auch so tief in der Liebe oder in der Macht über das Herz eines Mannes. Aber unterm Strich war es destruktiv. Inzwischen konnte ich Frauen helfen, die in einer ähnlichen Situation gefangen waren. Zumindest habe ich getan, wozu der Dalai Lama rät: »Wenn du etwas verlierst, dann behalte die Lektion!« Es war eine der schmerzhaftesten meines Lebens. Aber ich will ja nicht träumen, sondern erwachen.

Advaita, Jg. 49, lernt Juli ’82 in Oshos Kommune die Symbiose von Therapie, Meditation und Tantra kennen. Sie verließ die Kommune 1985, wurde selbstständig, veröffentlichte Artikel seit 1990, wurde durch die Medien bekannt und bildet seit 1998 Tantra-Lehrer aus (Advaita-Tantra-Schule).
Sie hat einen sehr eigenen, feurigen Arbeitsstil entwickelt mit vielen selbst kreierten Methoden www.advaita-tantra.de