Ich hasse die Art, wie er sich die Hände wäscht: Er läßt Wasser in die Wölbung fließen, formt eine Höhle und preßt das Wasser durch die Finger wieder hinaus. Rhythmisch. Quietschend. Laut und auffällig, als erwarte er dafür Applaus oder – schlimmer – als applaudiere er sich selbst. Ich zwinge mich wegzuhören.
Ich hasse die Art, wie er in den Spiegel schaut: aufmerksam, gefangen von seinem Anblick; ohne Anzeichen, daß er mit seinem breiten, knochigen Gesicht, den tiefliegenden Augen und der langen eingekerbten Nase nicht einverstanden wäre. Das falbe Haar ist schütter. Ich zwinge mich, nicht wegzusehen, als er sich zu mir umdreht, mit halbgeschlossenen Augen und einem Lächeln, bei dem er es schafft, die Mundwinkel unten zu lassen. Dabei zieht er den Bauch ein und versucht durch tiefes Luftholen, seine Schultern in Football-Spieler-Breite zu bringen. Vergeblich.
Seine Beine sind lang, muskulös. Auf sie lasse ich meinen Blick fallen, damit die Falte zwischen meinen Augen sich glättet und der angespannte Zug um meinen Mund sich löst. Er versteht das miß, läßt das Handtuch von den Hüften gleiten und tritt auf mich zu. Das Badezimmer ist eng. Ich lasse den Kamm sinken und weiche zurück. Er faßt das als Spiel auf, die ewige Jagd, hört nicht mein „Heh, laß das!“, sieht nicht die Warnung in meinem Blick, spürt nicht die Fäuste auf seiner Brust.
Sein Atem ist schlecht, sauer trotz Zähneputzen. Der Magen. Zwei Geschwüre, weil ich ihn verließ. Immer noch. Obwohl ich wieder da bin. Auch seine Haut riecht nach verdorbener Milch, trotz Dusche, jede Pore ein Vorwurf.
Dabei hätte er es überstanden, ich nicht. Ich wußte nicht, wohin. Damals. Als ich noch keine Worte dafür fand, außer: „Er ist stärker als ich“ und: „Ich darf ihm nicht wehtun“. Kind, ein Mann nimmt sich, was er will. So wie damals. So wie jetzt.
Seine Hände packen meinen Po, seine Zunge zwängt sich zwischen meine Zähne. „Komm“, flüstert er und zieht mich zur Waschmaschine. Er hebt mich auf die Abdeckplatte, fährt fahrig über mein Fleisch und drängt sich zwischen meine Beine. Sein Atem geht schneller. „Komm“, keucht er und faßt meine Knie. „Komm schon“, und drückt meine Schenkel auseinander.
Ich wende das Gesicht ab, mein Haar verbirgt mich vor seinem Blick. Er greift hinein, zerrt daran.
– „Laß mich!“
– „Ach komm, komm…“
Ich versuche, ihn wegzuschieben, aber seine Arme sind Stahlzwingen; ich presse die Schenkel zusammen, aber seine Beine sind Schraubstöcke. Ich winde mich und schlage die scharfen Zinken in seine Schulter. Er lacht rauh und stößt zu.
Als ich den Kopf hebe, sehe ich sie, sehe, wie sie blinkt, metallisch, kalt. Nimm mich, blitzt sie, nimm mich und ich mache ein Ende. Ich strecke eine Hand bis zur Ablage vor dem Spiegel. Es reicht. Mit den Fingerspitzen berühre ich das Glas mit den Puderpinseln und Kajalstiften. Und der Schere. Er grunzt und zieht meinen Kopf zu sich herum. Ich stöhne. Das Glas stürzt ins Waschbecken und zersplittert. Die Schere springt über den Rand auf die Fliesen.
Ich beiße mir auf die Lippen, sie schmecken feucht nach rostigen Nägeln. Meine Hände krallen sich in seine Schultern, gleiten ab und rutschen unter den rhythmischen Bewegungen auf sein Schlüsselbein, finden wie von selbst den Weg zu seinem Hals, diesem blassen, fleischigen Hals, den ich mit zwei Händen kaum umfassen kann. Meine Daumen legen sich auf seine Kehle, fühlen den Puls, das rasende Blut unter der großporigen Haut. – Was wäre, wenn…? Wenn ich jetzt…?
Ich drücke zu, mit aller Kraft, spüre sein Erstarren, sehe seine Augen, überrascht, ungläubig, weit offen wie das Tor zur Hölle. Sein Gesicht wird rot, wird blau. Ich halte. In seinem Blick explodiert Begreifen. Er hebt die Arme und versucht meine Hände wegzureißen, doch meine Daumen sind verkrampft, meine Ellbogen starr.
Es ist zu spät. Zu spät, um jetzt noch loszulassen, zu spät, um zu erklären. Eine Ader an seiner Schläfe schwillt an, sein Blick flackert, verliert an Schärfe, die Augäpfel taumeln auseinander, als hätte ein Puppenspieler die Fäden fallenlassen.
Sein Körper zuckt und wird schlaff. Abrupt lasse ich los. Er sackt zusammen und fällt zur Seite. Ich rutsche von der Waschmaschine und steige über ihn hinweg. Ein leises Stöhnen umklammert meine Knöchel und kriecht klebrig an mir empor, ein gräßliches Gurgeln glitscht über meine Füße. Mein Schrei klatscht gegen die weiße Kachelwand und ohrfeigt mich.
Ich flüchte in die Küche und beuge mich über die Spüle. Aus dem Hahn schießt ein kühler, klarer Strahl. Ich lasse ihn in meine Hände fließen, forme eine Höhle und presse das Wasser zwischen den Fingern wieder hinaus. Rhythmisch, kraftvoll, wie eine Aorta, aus der das Leben pulst.
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