Vergangenes Woche fand in Berlin das 8. Pornfilmfestival in Berlin statt. Diana Böhme, die uns auch bei unseren Salonevents tatkräftig unterstützt, war beim Berliner Kurzfilmwettbewerb und berichtet von ihren Erfahrungen mit den „Film-Quickies“ dem Kurzfilm-Wettbewerb des Pornfilmfestivals:
Ich wollte zum Kurzfilmwettbewerb am Donnerstag. Am Vortaggab es keine Onlinetickets mehr. Donnerstag Nachmittag ging im Movimentoendlich jemand ans Telefon. Ausverkauft, aber. „Du kannst Dich auf die Wartelistesetzen lassen.“ Machte ich und nannte meinen vollen Namen. Wenn alle ihre Kartenabgeholt hätten – oder auch nicht – würden sie die Warteliste aufrufen.
Okay, es war voll, sehr. Und das Kinopersonal waroffensichtlich gestresst. Auf die Frage, was man denn noch so sehen könnte,wurden die Besucher_innen rasch auf die Programmübersicht verwiesen. DasPublikum schätze ich hauptsächlich auf um die 30, aber es waren auch etlicheältere Leute da.
Ein Kinomitarbeiter rief, dass die Restplatzvergabe jetzt inder Lounge stattfindet. Dazu ein Wink in Richtung zum rechten Zugang, wo sichschnell ein Stau bildete. Hier kamen mir meine Ortskenntnisse zu Gute, wirnahmen den linken Eingang. Am Tresen in der Lounge gab es opulenteKöstlichkeiten zu bestaunen: Torte, Muffins, Mini-Quiche. Ein flüchtiger Blickauf die Namensliste verriet mir, dass die Chancen auf Restkarten für unsschlecht standen. Zügig hintereinander weg wurden die Namen vorgelesen. Wennjemand „hier“ schrie, antwortete die Listenverlesende mit „zack, zack“ undeinem Wink zur Kasse. Unsere Hoffnung schwand und wir überlegten was wir stattdessenmachen würden. Die Namen auf der Liste wurden immer fantasievoller, aber dieLeute zu den Namen meldeten sich nicht. Dann endlich „Diana Böhme“. Wie schnödemein Name doch klang nach einer Reihe wohlklinger Fantasienamen.
Wir waren dieletzten, die Karten bekamen. Ich freute mich, als hätte ich etwas gewonnen. Achnein, die Karte muss ich ja bezahlen. Zack, zack gekauft und dann weiter zuKino1. Wo sollen wir uns denn hier noch hinsetzen? Auf den Boden, eines vondiesen dicken roten Kissen unter den Po und eines in den Rücken. Fast so bequemwie ein Kinositz, wir können sogar die Beine ausstrecken unter die Sitze deranderen, und keine störende Armlehne, super zum kuscheln. Nach ein paarTrailern geht es los.
„Undress me“ von Viktor Lindgren. Ein Mann und eine Frau ineiner Disko flirten. Er redet von ihren Brüsten und ihrer Stimme, ich denke mirnoch nichts dabei. Sie gehen zusammen raus, reden. Er hat den Verdacht, dasssie transsexuell ist und versucht es aus ihr raus zu kitzeln. Sie sagt es dann auch.Von da an zeigt mir der Film ein abschreckendes Beispiel wie man wohl mit einerTransperson nicht umgehen sollte. Der junge Mann ist neugierig und fasziniert,will Körperteile gezeigt bekommen, am liebsten gleich auf der Straße mitten im eisigenSchweden. Sie nimmt ihn mit nach hause. Er ist begierig zu sehen und zu fragen,ist auch erregt, eine Annäherung kommt aber nicht zustande. „Weird“ sagt eroft, ist zu Einfühlung nicht in der Lage und geht letztlich wieder nach hause.Der Film ist für den Teddy Award nominiert. Ich finde ihn pädagogisch wertvoll.
„Une paire des mains et une paire de seins“ von Hall-U. Einpaar Hände und ein Paar von seinen (Brüsten), das ist alles was man sieht, pluseinem Rasierer. Der Film gibt eine Idee davon, wie sexy Männerbrüste seinkönnen.
„The Safety in Rubber“ von Amit Itzcar. Ein korpulenterMann, ein fades Zimmer, eine billige Sexpuppe. Der Film ist gut, er bewegt,zeigt Einsamkeit. Trotzdem habe ich die meiste Zeit die Augen geschlossen oderschaue ins Publikum und blinzle nur ab und zu. Ich schone mich so davor, dasssich allzu viele Bilder in mein Hirn brennen, die ich nicht sehen will. AmitItzcar hat den Film selbst produziert und spielt ihn auch.
„The perfect woman“ von Julie Simone. In derFilmbeschreibung steht: Nutzt Fetischbilder um die Gefangenheit in derweiblichen Geschlechterrolle in der Gesellschaft herauszustellen – das istihr gelungen. Die Frau, die bügelnd inSM-Manier mit der Hand am Bügeleisen festgeklebt ist, wirkt nur auf den erstenBlick sexy auf mich. Dann kommt ein „ohje“ und ein „so ist es“.
„Masturbating in my rapist(s) clothes“ von ElektraStoffregen. Noch ein politischer Kurzfilm. Man sieht den in einer schwarzenLederjacke gekleideten Oberkörper einer Frau, wahrscheinlich masturbiert sie. Dazuhört man Kommentare und Urteile über Vergewaltigungsopfer. Die Filmemacherinhat dafür Bullshitbingos verwendet. Das ist in feministischen Kreisen einSpiel, das wie Bingo funktioniert, nur statt Zahlen mit ekelhaften Sätzen, diesie immer wieder hören müssen. Es ist unglaublich wie viel Zeit Leute etwa imInternet darauf verwenden, Frauen zu beschimpfen. Um nicht ständig schlechteLaune deswegen zu haben, wurde Bullshit Bingo erfunden. Daher also die Sätze.Die Kombination masturbierende Frau und abwertende Kommentare wirktirritierend. Einfach den Anblick einer schönen Frau genießen geht nicht. Sexist hier das Vehikel um eine politische Aussage zu transportieren.
„Beautiful Monotony“ von Zahra Stardust. Der Arbeitstageiner Lapdance-Tänzerin im Schnelldurchlauf. Immer wieder sieht man dieTänzerin den gleichen Tanz für unterschiedliche Personen aufführen.Bemerkenswert viele Frauen zählen zur Kundschaft, einige tanzen mit ihr. Die Grenze zwischen Anbieterin und Konsumentin verschwimmt etwas. Wir sehen dieTänzerin auch in der Pause, wie sie sich wieder anzieht, auf ihrem Handy tippt,einen Döner isst wie Du und ich, nah, humorvoll und erfrischend.
„Enter the Bloc“ von Amaury Grisel. Ein auf ästhetischgemachter Film mit drei Menschen, die Bondage Latex tragen und ein bisschenrummachen. Und schon ist er auch wieder vorbei.
„Gingers“ von Antonio da Silva. Helle Haut füllt dieKinoleinwand, blendet über in andere Haut und wieder andere. Es folgt einZusammenschnitt von vielen intimen Portraits rothaariger Männer. Aus einem rotumsäumten Mund kommt gregorianischer Gesang. Sie sprechen von Stereotypen überRothaarige, erzählen wie sie als Kind gemobbt wurden, sich emanzipiert haben,jetzt zu ihren roten Haaren und der hellen Haut stehen oder sich sogar freuen,als etwas besonderes wahrgenommen zu werden. Sie reden über die sexuellenZuschreibungen zu Rothaarigen wie Leidenschaftlichkeit, Wildheit – manchestimmen zu. Der Film macht uns mit ihren Körperpartien vertraut. Zu erneutenGesängen strömt das Blut in die Glieder, sie winden sich, wachsen, die Männerkommen, lachen.
„Candybox“ von Emilie Jouvet. Wir begleiten eine Frau beiihrem Streifzug durch einen Nachtclub für Frauen. Eine andere nähert sich derProtagonistin für einen Kuss. Sie zieht die Folienrolle hervor und bedeckt deranderen das Gesicht unterhalb der Nase damit, dann küssen sie sich. Hier und dafinden sich Worte wie Herpes oder Chlamydien auf Kleidung, Ringen, Buttons. Siehat alles dabei, Gleitgel, Handschuhe, Kondom und wendet diese Utensilien aneiner nach der anderen an. Ein sexy Werbefilm für Safer Sex.
Das Pornfilmfestival soll nicht erregen, sonderninspirieren, habe ich mal gehört. So habe ich das beim Kurzfilmwettbewerb auchempfunden. Die Kurzfilme habe ich gern gesehen, etwas Interessantes ist immer dabei.
Danke an Diana, für den schönen Bericht!