Sex am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen, so lautet ein gängiges Sprichwort. Doch was tun, wenn der fehlende Sex am Morgen eben gerade zu diesem Kummer führt? Bei Facebook wurde mir dazu folgende Frage gestellt: Die Frau eines Freundes will morgens keinen Sex – was soll er tun? Verzichten? Argumentieren? Rankuscheln und verführen?
Die scheinbar einfachsten Antworten in diesem Fall wären zum Einen: Verzichten, denn wenn die Frau sagt, sie will morgens keinen Sex, dann sollte er das respektieren. Oder aber: Die Frau sollte sich den Wünschen des Mannes anpassen, weil er schließlich Sex möchte. Doch genau das scheint ja nicht zu funktionieren, sonst gäbe es ja kein Problem. Beide Antworten wären also einfach, aber nicht wirklich hilfreich.
Argumentieren bringt da gar nichts, denn bei einer Argumentation geht es ja um ein richtig oder falsch und das ist hier die falsche Betrachtungsweise. So wie er ein Recht auf seine Lust am Morgen hat, so hat sie das Recht darauf, einfach keine Lust zu haben. Was in so einem Fall jedoch hilfreich sein kann, ist sich über die hinter den Verhaltensweisen liegende Motivation auszutauschen. Das hat nämlich eine ganz andere Wirkung. Denn dann geht es nicht darum, sie (oder ihn) rum zu kriegen, sondern es geht um einen Austausch beider Bedürfnisse und Wünsche.
Man könnte diesem Paar natürlich auch unterstellen, dass die beiden eigentlich ein Beziehungsproblem haben: Wenn sie sich wirklich lieben würden, gäbe es das Problem gar nicht. Aber es kann natürlich auch sein, dass sich ein Konflikt auf der sexuellen Ebene auswirkt: Sie fühlt sich im Alltag von ihm nicht genügend unterstützt und rächt sich (unbewusst) mit Sexentzug.
Wenn ein solches Paar zu mir käme und mir obige Situation schildern würde, würde ich versuchen, mit Fragen mehr über dieses Problem zu erfahren.
Will sie nur morgens keinen Sex oder generell nicht? Steht sie unter einer persönlichen Belastung, die es ihr weder morgens noch zu einer anderen Tageszeit ermöglichen, Lust zu empfinden?
Will sie morgens nur bestimmten Sex nicht oder generell nicht.
Wie signalisiert er ihr, dass er Sex will? Inwieweit geht er auf sie ein?
Gab es schon mal Sex morgens? Wie kam es dazu?
Unter welchen Umständen könnte sie sich darauf einlassen?Sprich: vielleicht braucht sie einfach eine halbe Stunde Zeit mit Kaffee im Bett, damit sie erstmal in Ruhe wach werden kann? Oder möchte erst duschen? Oder: wie sollte er sich verhalten, damit sie sich darauf einlassen könnte? Sie sollte also darüber nachdenken, was sie sich von ihm wünscht.
Es geht jedoch nicht darum, die Frau unbedingt dazu zu bringen, Sex haben zu wollen. Aber indem man mehr über ihre Motivation erfährt, kann man auch herausfinden, inwieweit der Mann vielleicht den falschen Weg einschlägt. Vielleicht will sie ja schon Sex, aber anders, als der Mann es will? Vielleicht weiß sie selbst nicht so genau, wie sie das erklären soll.
Und was versteht er unter Sex? Geschlechtsverkehr? Petting? Erotisches Schmusen? Oralverkehr? Befriedigung mit der Hand? Auch hier sollte ganz genau geklärt werden, was wer von beiden unter „Sex am Morgen“ versteht. Und wie häufig? Will er es jeden Morgen? Oder nur ab und an? Oder nur, wenn er einen anstrengenden Tag vor sich hat? Oder wenn er seine Liebe damit zeigen will? Was ist seine Motivation? Geht es nur um „sexuelle Triebabfuhr“ oder fehlt ihm die emotionale Verbindung zu seiner Freundin?
Welche Gefühle ruft das „Nein“ in ihm hervor? Ist es nur eine sexuelle Frustration, oder fühlt er sich persönlich angegriffen oder gar nicht als Mann begehrt? Vielleicht kann er auch entspannter mit diesem Nein umgehen,wenn er es als Nein zur Uhrzeit, aber nicht als Nein ihm gegenüber als Mann wahrnimmt.
Manchmal passt die Lustkurve aber auch einfach nicht zusammen. Er will morgens, sie nicht. Dann muss er schauen, wie er damit umgehen kann. Was würde ihm gut tun, damit er diesen Verzicht leichter verdauen kann? Selbstbefriedigung? Joggen gehen?
Es geht also nicht einfach darum zu sagen: tue dieses oder jenes. Sondern genau zu schauen, welche Motivation hinter einem bestimmten Verhalten steht. Erst wenn man weiß, warum jemand auf eine bestimmte Art und Weise (re-)agiert, kann man herausfinden, was man ändern muss, damit beide im – wahrsten Sinne des Wortes – befriedigt sind