100 Tage ohne Sex

Manche wären sicherlich froh, wenn sie alle drei Monate Sex hätten, aber für uns war es das erste Mal, dass wir solange Zeit keinen Sex miteinander hatten. Deswegen war das auch für mich als Sexualcoach eine Erfahrung, mit der ich erst mal schauen musste, wie ich damit umgehe. Was war geschehen?

Nun, wir sind Hunde-„Eltern“ geworden. Ein kleiner süßer Welpe hatte Einzug gehalten in unsere Herzen, unsere Wohnung und in unseren Alltag. Die Nächte konnten wir nicht mehr durch schlafen, weil wir mit ihr raus mussten. Tagsüber war unser Arbeitsrhythmus durcheinander, weil sie Aufmerksamkeit und Spaziergänge brauchte. Unser Fokus lag nicht mehr bei uns, sondern bei diesem süßen, bezaubernden und doch herausfordernden Wesen.

Wir als Paar existierten auf einmal gar nicht mehr, nur noch als Hunde-Eltern. Wir redeten miteinander (und mit anderen) nur noch über den Hund, nicht mehr über uns und unsere Projekte. Selbst im längst überfälligen Urlaub (natürlich mit Hund) wollten wir nur unsere Ruhe haben, Sex war da kein Thema.

Folgen der Sexlosigkeit

Irgendwann fiel mir auf, dass wir schon lange keinen Sex mehr hatten. Das hat mich einerseits etwas beunruhigt, schließlich arbeite ich als Sexualcoach. Darf mir das überhaupt passieren??? Andererseits aber fand ich es auch nicht so dramatisch. Ich habe diese für mich neue Erfahrung einfach sehr interessiert beobachtet. Was passiert da gerade mit mir und mit meinem Mann? Welche Gefühle und Gedanken tauchen auf?
Je länger wir keinen Sex hatten, umso weniger Lust hatte ich dazu. Und umso schwieriger schien es mir, auf dieser Ebene los zu lassen und mich körperlich wie emotional zu öffnen. Ich wollte mich nicht einlassen, wollte eigentlich nur meine Ruhe haben.

Dann dachte ich auch: Warum ergreift mein Mann eigentlich nicht die Initiative? Wenn er Sex will, soll er sich doch darum kümmern, ich brauche das ja nicht. Darüber gesprochen habe ich mit ihm nicht, ich wollte ja gar keinen Sex, warum also darüber reden? Trotzdem hatte ich die innere Erwartung bzw. den Wunsch von ihm verführt zu werden. So hatte ich ihm unbewusst die Verantwortung für die Situation zugeschoben, und brauchte mir keine Sorgen zu machen, dass ich vielleicht auch etwas daran ändern könnte. War der Hund im Schlafzimmer jetzt noch ein störendes Hindernis? Oder doch eine insgeheim willkommene Vermeidung, sich aufeinander einzulassen?

Ohne Sex fehlt Verbindung

Doch dann spürte ich, dass wir keine Verbindung mehr zueinander hatten. Wir lebten quasi nebeneinander her, ohne uns unsere Zuneigung zu zeigen, ohne unseren Wunsch nach körperliche Nähe zu zeigen. Dafür kuschelten wir beide dauernd mit dem Hund!

Da habe ich dann erkannt: Wenn wir das nicht ändern, könnte das dazu führen,dass wir uns später ganz verlieren. Da war es mir dann egal, wer wofür vermeintlich oder real verantwortlich ist, ich sprach meinen Mann darauf an, wie er die Situation sieht.

Raus aus der Flaute

Wir stellten fest, dass uns der Fokus verrutscht war, was ja auch durch die neue Situation natürlich war. Wie bei einem kleinen Kind mussten wir uns und unseren Tagesablauf radikal ändern und mehr auf die Bedürfnisse unseres „Babys“ achten. Wir beschlossen das zu ändern. Mal machte er einen Annäherungsversuch, da war ich gerade nicht in Stimmung. Dann schlug ich vor, miteinander ins Bett zu gehen, aber dann waren wir so müde, dass wir nur geschlafen haben. Es dauerte also einige Tage, bis unser Entschluss, wieder miteinander Sex zu haben, auch wirklich zum Erfolg führte. Wir ließen uns beide nicht davon abschrecken, die Initiative zu ergreifen, auch wenn es nicht gleich funktionierte. Wir mussten auch mal Nein sagen oder mit dem Nein des anderen zurechtkommen.

Ich fand es höchst interessant, meinen Gedanken und Gefühlen dabei zuzusehen, wie sie mit der Situation umgegangen sind. Wie sie sich verselbständigen und sich dabei selbst im Weg stehen, anstatt die Situation konstruktiv zu lösen. Dabei wusste ich doch, wie es richtig geht. Mir ist einfach wieder einmal klar geworden, dass man für das Gelingen von Beziehungen etwas tun muss. Es ist ähnlich wie mit dem Prinzip Ordnung: Unordnung entsteht von alleine, Ordnung muss man schaffen.

Es ist normal, dass in manchen Zeiten andere„Babys“ alle Aufmerksamkeit und Energie auf sich ziehen.
Es ist normal, dass man die Verbindung zueinander auch einmal  verliert und dann keinen Sex mehr hat.
Es ist normal, dass im Kopf merkwürdige Gedanken auftauchen, die der Situation nicht unbedingt dienlich sind.

Auch mir als Profi passiert so etwas. Bin ich deswegen ein schlechter Coach? Nein, es kann nicht immer alles perfekt laufen. Die Kunst besteht darin, es rechtzeitig zu erkennen, was schief geht und dann entsprechend zu handeln:

  • Miteinander reden und beide Sichtweisen betrachten, ohne Vorwürfe zu machen.
  • Mit Geduld und Verständnis an die Situation herangehen.
  • Die eigenen Emotionen wahrnehmen, aber nicht dramatisieren.
  • Auch mal über den eigenen Schatten springen und die eigenen Gedanken und Gefühle nicht so ernst nehmen.
  • Sich von Misserfolgen nicht einschüchtern lassen und immer wieder den Fokus neu ausrichten.

Eigentlich ist das gar nicht so schwer und Sie können das auch alleine hin bekommen. Falls Ihnen das nicht gelingen sollte, nehmen Sie doch einfach Kontakt zu mir auf:

  1. Och, wie süß! So ein Hundebaby kann schon ganz schön viel Aufmerksamkeit verlangen! Mit Menschenbabys ist es vermutlich noch mal eine Nummer „schlimmer“, gerade nach der Geburt, da kommt schließlich auch noch hinzu, dass die Frau erst mal ordentlich verheilen muss. Gerade der Punkt „Geduld“ ist hier vermutlich der wichtigste von denen, die in diesem Artikel genannt wurden.

  2. … huch. Hört sich so an, als könnte man das „Lust haben“ verlernen… Kann ich mir derzeit gar nicht vorstellen, weil ich viele kurze erotische eBooks lese und mein kompletter Alltag völlig ‚aufgemotzt‘ ist mit erotischen Gedanken. Da will man dann auch mal Abhilfe schaffen..

  3. Gott sei Dank konntest Du Dich aus der „mir als Profi passiert sowas“-Falle befreien. Gerade desshalb bist Du wahrscheinlich ein guter Coach. Problematisch finde ich den Satz:“Eigentlich ist das gar nicht so schwer…“, denn er erzeugt potenziell Minderwertigkeitsgefühle a’la „Ich bin eben ein hoffnungsloser Gefühlsanalfabet“. Das erhöht auch die Schwellenangst, sich bei Problemen professionell beraten zu lassen.

  4. Liebe Silke,

    vorhin fand ich auf Umwegen zu Deiner Seite, und nun habe ich mir Deinen Artikel durchgelesen…super! :) Ich kann diese Erfahrung teilen – allerdings sind es bei meinem Mann und mir schon etwas mehr als 100 Tage ;). Darüber schlagen sicher die meisten die Hände über ihren Köpfen zusammen…das geht ja mal üüüberhaupt nicht!!! Wieso eigentlich nicht? Ich habe mich lange Jahre über meine Sexualität in meinen Beziehungen definiert; natürlich hatten auch diverse Affären den Schwerpunkt Sex…sonst wären es wohl kaum Affären gewesen ;). Bis ich für mich geklärt hatte, daß ich mich a) über Sex definiere und b) warum. In meiner jetzigen Ehe lief anfangs der gleiche „Film“…bis ich irgendwann und nach einem blöden Erlebnis mit meinem Mann ganz klar „nein“ zum Sex gesagt habe. Das war anfangs hart – besonders für ihn. Ich aber wollte einen, meinen „Schutzraum“, in dem ich „nein“ sagen durfte. Was dabei herausgekommen ist: wir führen eine sehr vertraute, sehr intime Ehe ohne Sex, aber mit sehr viel Intimität und Nähe, mit einer so großen Vertrautheit und gegenseitiger Unterstützung, wie ich sie vorher in meinen Beziehungen nie erfahren habe…da war der Sex ja auch immer im Vordergrund. Als ich vor einiger Zeit „Das Verlangen“ von Sophie Fontanel las, konnte ich einiges nachempfinden von dem, was sie schrieb. Ich kann als Fazit der sexlosen Zeit nur sagen: unsere Beziehung, unsere Ehe hat unglaublich dadurch gewonnen, ohne Sex zu leben; eine Nähe herzustellen, die nicht auf „heißen Nächten“ beruht, aber auf einer sehr stabilen und vor allem reflektierten Basis im Miteinander. Unsere Kommunikation ist beispiellos; wir werden von vielen Paaren beneidet, die zwar Sex haben, aber nicht miteinander sprechen (oder nicht ausreichend, bzw. nicht in der Qualität). Sophie Fontanel drückte es sinngemäss in ihrem Buch so aus: als sie begann, der Sexualität nicht nur zu entsagen, sondern auch noch darüber zu sprechen, brach sie damit eines DER gesellschaftlichen Tabus überhaupt. Und ich kann das nur bestätigen :). Sonnige Grüsse und „weiter so“!

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