„Ich meine nicht, dass es in der Natur der Frau liegt, sich verschiedenen Männern immer wieder aufs Neue zu öffnen. Sowohl körperlich,als auch psychisch.“ Das behauptet Vanessa Eden, jahrelang selbst als Escortdame tätig. Jetzt coacht sie andere Frauen in diesem Bereich, hat ihr Abitur nachgeholt und studiert Psychologie.Silke Maschinger sprach mit ihr über ihre Erfahrungen und Erkenntnisse.
Was hat dich bewogen, als Escortdame zu arbeiten und wie lang hast du das gemacht?
Der Einstieg in die Prostitution war für mich mit klaren Argumenten verbunden: Mehr Zeit, verbunden mit mehr Geld und mehr Selbstbestimmtheit im Lebensvollzug. Insgesamt war ich 6 Jahre im Paysex unterwegs. Die letzten zwei dann als hoch bezahlte Escortdame.
Was meinst du, jetzt im Nachhinein, was war die wirkliche Motivation dafür? Ist es vielleicht auch so etwas gewesen, dass du Bestätigung gesucht hast? Im Feigenblatt-Artikel hast du zum Schluss gesagt, dass du erkannt hast, dass du nichts mehr tun musst um geliebt zu werden.
Die Motivation war für mich auch im Nachhinein die oben beschriebene. Bestätigung erhielt ich dann in der Tat. Doch das war keine Motivation einzusteigen. Vielleicht eher eine, länger darin verhaftet zu bleiben. Bestätigung oder auch Wertschätzung tut einfach gut. Warum sollte man sich diese nicht holen, wenn man sie erhält? Leider habe ich in meinen Arbeitnehmerstellen zuvor oft das Gegenteil erlebt. Deshalb waren meine zufriedenen, wertschätzenden Kunden Balsam für meine Seele. Was die Aussage im FB betrifft, ich glaube, die bezog sich allgemein auf das gesamte Leben. Das war eine Lebenserkenntnis, die aus Erfahrungen der letzten Jahre/Monate resultierte.
Du hast dich ja eher mit wenigen Männern getroffen, dafür intensiveren Kontakt gehabt. Hast du dich da auch mal verliebt? Wie funktioniert die Abgrenzung in diesem Job?
Verliebt habe ich mich, keine Frage. Doch war das wirklich verliebt? Vielleicht war es doch eher ein Schwärmen. Nur wie stark kann das Schwärmen an sich werden, wenn man nur wenige Stunden, ober auch mal ganze Nächte zusammen ist? Eine gewisse Professionalität gehört in diesem Job nun einmal dazu. Das heißt: Mit seinen Gefühlen muss man umzugehen wissen, alles andere wäre fahrlässig – auch dem Kunden gegenüber. Wenn mir also ein Mann besonders gut gefallen hat, habe ich ihn das meist wissen lassen. Doch Escortservice ist keine Partnerbörse und so habe ich nicht krampfhaft nach der großen Liebe gesucht. Viele Männer suchen die Abwechslung und nicht zwingend eine Liebschaft oder Affäre.
Mit wie vielen Männern hattest du im Monat Kontakt? In einer Talkshow habe ich von dir gehört, dass du dir die Männer auch ausgesucht hast, nach welchen Kriterien?
Ich hatte im Monat mit bis zu vier Männern Kontakt. Was die Kriterien für meine Männer anging, so habe ich zuerst eine Altersbegrenzung festgelegt. Diese ging von 30 – 55 Jahren. Zudem wollte ich keine stark übergewichtigen Männer oder starke Raucher. Ich ließ mir von jedem Kunden vorab eine Anzahlung auf mein Konto überweisen und auch ein Foto schicken, was in der Branche sehr unüblich war. Und selbstverständlich war bereits die erste E-Mail oder das Telefonat eine Möglichkeit, herauszufinden, ob man zueinander passt. Doch ganz allgemein waren meine Kriterien für viele eine Anmaßung – leider. Denn nach wie vor ist in einigen Köpfen das Bild: Die verlangt Geld dafür, also muss sie auch jeden nehmen, was natürlich Unsinn ist.
Wie ist das mit jemandem Sex zu haben, weil er dich gebucht hat? Hattest du immer Lust auf den jeweiligen Mann? Was hast du gemacht, wenn du ihn z.B. nicht riechen konntest oder einfach doch unsympathisch fandest?
Für mich war der Sex mit den Männer meist sehr spannend. “…weil er dich gebucht hat” klingt allerdings sehr passiv. Ein Mann hat mich ja nicht einfach gebucht, wie man eine Flugreise bucht oder ein Hotelzimmer. Er hat mit mir Kontakt aufgenommen und erst einmal angefragt, ob er mich überhaupt treffen darf. Die endgültige Entscheidung, ob ein Treffen dann zustande kam, lag bei mir. Insofern war es eine von mir gewollte Situation und entsprechend der Sex mal besser und mal schlechter – wie das mit Sex eben so ist. :-)
Hattest du in dieser Zeit auch privaten Sex? Worin unterscheidet sich für dich der Job und das Private? Hattest du zu diesen Zeiten auch eine Liebesbeziehung?
In der Zeit hatte ich natürlich auch privat Sex. Bis zu vier Treffen im Monat sind jetzt nicht so viel, um sexuell wirklich befriedigt zu sein – ich jedenfalls nicht. Worin sich der Sex unterschied? Ich würde meinen, privater Sex war vor allem spontaner – manchmal auch freier, da ich nicht so viel nachdenken musste, mich eher fallen lassen konnte. Mit meinen Kunden waren die Treffen ja meist 2 – 3 Wochen im voraus vereinbart. Privat kam es auch schon spontaner zu Sex. Eine Liebesbeziehung hatte ich in dieser Zeit nicht. Das hat ganz einfach den Grund, dass ich verliebt nur mit diesem einen Mann schlafen möchte. Im gleichen Atemzug hätte ich es als unfair meinen Kunden gegenüber empfunden, nur so halb mit ihnen zu schlafen. Ich wollte schon immer ganz bei der Sache sein.
Warum bist du dann ausgestiegen? In deinem Text im Feigenblatt hast du geschrieben: „Ich wollte noch sorgsamer mit meinem Körper um gehen als ich es eh schon tat“und in Deiner Mail „Ich meine nicht, dass es in der Natur der Frau liegt, sich verschiedenen Männern immer wieder aufs Neue zu öffnen. Sowohl körperlich, als auch psychisch. “ Kannst du das näher erläutern?
Ich glaube, dass die Zeit in denen sich Frauen austoben – so habe ich es jedenfalls bei mir empfunden – in Grenzen hält. Es sind Phasen, Lebensabschnitte, in denen es passt. Dann gibt es wieder Phasen, in denen es weniger stimmt, in denen man Beständigkeit und Geborgenheit sucht. Für mich war die Intimität mit meinen Kunden intensiv und es war mir wichtig, mich so gut es geht auf sie einzustellen. Man kann den Job sehr oberflächlich ausüben oder mit Tiefgang. Tiefgang kann aber auch anstrengend sein. Der Text aus dem Feigenblatt ist zu einer Zeit entstanden, in der ich sehr kraftlos war, weshalb ich darauf nicht näher eingehen möchte. Ich habe in meinen Treffen sehr viel von mir gegeben, was mich zwischendurch auch Kraft gekostet hat – immerhin war es am Ende doch eine Dienstleistung, wofür ich bezahlt wurde und bei der an erster Stelle der Kunde stand. Ich glaube, dass ganz allgemein längerer, permanenter Wechsel der Sexualpartner nicht in der Natur des Menschen liegt.
Sexualität ist gleichzeitig auch Intimität und hat viel mit Vertrauen zu tun – sofern man sich ganz und gar fallen lassen möchte, was wiederum für mich unabdingbar ist, um wirkliche Befriedigung zu finden. Während des Sex wird zudem das Bindungshormon Oxytocin ausgeschüttet – das alleine sagt ja schon viel. Was den zweiten Satz angeht, so glaube ich, dass der eindringende Akt in den weiblichen Körper eine Spur intimer ist, als umgekehrt. Deshalb kann ich mir in der Tat nur schwer vorstellen, dass es in der Natur der Frau liegt, am Tag mit mehreren Männern zu schlafen und das an fünf Tagen in der Woche, wie es beispielsweise im Bordell passiert. Wie gesagt: Alles hat seine Zeit. Meine Aussagen im Feigenblatt sind auf eine lange Dauer und grundsätzliche Annahmen bezogen.
Du bietest ja auch noch Escort-Coaching an, widerspricht das nicht deinen Aussagen aus dem vorigen Absatz?
Das sehe ich nicht so, außer ich würde meine Maßstäbe, meine Erfahrungen und meine spätere Entwicklung plötzlich für allgemeingültig erklären, was doch sehr arrogant wäre, nicht wahr? Jede Frau lebt, empfindet und entscheidet für sich zu bestimmten Situationen individuell. Es gibt Dinge, die sind zu einer gewissen Zeit richtig, weil sie zur Entwicklung dazu gehören. Nur weil sie später in den Hintergrund treten oder man sie nicht mehr möchte, waren sie deshalb in der Vergangenheit noch lange nicht falsch.
Vielen Dank für das Interview!
Vanessa Eden hat ein Buch über Ihren Werdegang und über das Thema Escort geschrieben: Warum Männer 2.000 Euro für eine Nacht bezahlen. Unsere erosa-Rezension dazu findet ihr auch hier bei unsIhre Webseite lautet www.vanessa-eden.eu, dort gibt es auch mehr Informationen über ihr Buch.