Mannsein mit Schwanz und Herz

Deutschlands Barden besangen es zuerst: das Thema „Männer“. Ob Herbert Grönemeyer oder Klaus Hoffmann, aber ein handfestes Buch über das Mannsein mit Anatomie, Gefühlen und ihren Be- und Empfindlichkeiten fehlte bislang.

Doch dieser Tage findet ein gleichnamiger Titel seinen Weg in die Buchhandlungen: Mit „Männer“ legt Ann-Marlene Henning – Deutschlands derzeit populärste Sexologin – nach Ihren TV- Begleitbüchern „Make love“ und „Make more love“ sowie der „Liebespraxis“ jetzt ihr viertes Buch vor. Wir haben es für euch gelesen!

Männer: Körper. Sex. Gesundheit.

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as of 7. Oktober 2024 3:06

Das zusammen mit dem dänischen Arzt Jesper Bay Hansen verfasste Werk bietet vieles, was Männer über Körper, Beziehungen und Sexualität wissen sollten  –  vielmehr müssen.

Der Autoren zentrale Erkenntnis: Mannsein ist oft mit großem Druck verbunden – denn Männer müssen leistungsfähig sein, sexuell aktiv und stark. Doch die Sexologin und der Arzt wissen: Gerade in Sachen Liebe, Gesundheit und Beziehungen werden vermeintlich ehrenrührige Fragen schnell verdrängt. Und genau denen gehen Henning und Hansen auf den Grund. Dabei wollen sie eine Brücke bauen „zwischen Männer-Gesundheit, Problemen in der Partnerschaft, sexuellen Dysfunktionen und Krankheiten“. Das Autorenduo schöpft dabei aus seinen Erfahrungen, die es mit seinen jeweiligen Praxen in Dänemark und Deutschland gemacht haben – selbstredend anonymisiert.

Auf dieser Basis vermitteln die beiden Sexperten reichlich Grundlagenwissen und räumen nebenbei mit manchen Klischees auf: Beispielsweise, dass Männer ständig an Sex denken. Oder dass ein Mann natürlich weiß, wie er es seiner Partnerin oder seinem Partner zu besorgen hat. Hilfreich-pragmatisch unterscheidet das Autorenduo auch zwischen „routinierten Alltagssex“ und Pornovisionen. So setzen sie dem sexuellen Leistungsdenken etwas realistisch-Erotisches entgegen und teilen dazu freimütig  ihr Wissen über Stoßtechniken, Genitalmassagen und Beckenbodentraining. Diese Darstellungen sind mit – bisweilen etwas pölserhaft-grellem – dänischen Humor garniert, was schon die kurzweiligen  Kapitel- und Zwischenüberschriften erkennen lassen. Sie gliedern den großen Erfahrungskuchen in erfreulich kurze Lese-Häppchen und pendeln zwischen Sachbezogenheit und Wortwitz. Kostprobe gefällig? „Großer Aufmerksamkeitsmagnet: der Schniedel“. „Liebesreigen von der Selbstliebe zur Polyamourosität“. „SpongeBob – Schwellkörper mit unterschiedlichem Härtefaktor“ bis hin zu „Auf Glanz poliert – die Pflege Ihrer Kronjuwelen“, reicht die Themenpalette die mit „Männern und Mythen“ beginnt und mit „Sex, Schmerzen und Krankheit“ fast fatal endet, wäre da nicht noch der hoffnungsvolle Epilog „“Carpe diem, carpe scrotum“ oder „Hinterm Hodensack geht’s weiter!“

Auf diese anregende, aber auf keinen Fall oberflächliche Weise führen die Autoren den Leser und die Leserin mal sachlich mal launig, aber immer zugewandt durch die Thematik und begleiten dabei den männlichen Lebenskreis zwischen Geburt und Tod.

Ein Wort noch zu den schnörkellosen Bildern von Erik Engelhardt: Die nicht hochglänzenden, aber trotzdem/dennoch erotischen Fotos mit Menschen jeden Alters können Auge und Herz des Betrachters für die sehr menschliche Herangehensweise der Autoren öffnen. Hier dürfen Fältchen wie Bäuchlein sein und auch ein Männerpaar unter der Dusche ziert die Seiten. Hilfreich der Anhang mit Internet-Adressen die von „Anonyme Sex- und Liebessüchtige“ über „special-Harninkontinenz“ bis hin zum „Verein für sexuell missbrauchte Menschen“ reichen.  Vielleicht hätte ja noch ein Stichwortverzeichnis gefehlt, aber das ist bei Sexbüchern immer so eine Abgreif-gefährdete Sache…

Fazit: Rowohlt hat in einer Zeit, in der sich Jugendliche im Drogeriemarkt schon nicht mehr nach Präservativen zu fragen trauen, ein längst überfälliges Werk herausgebracht, das auf 394 solide eingebundenen Seiten zum mehr als fairen Preis von 15 Euro (e-Book 12,99) auch die Internet-Kultur  berücksichtigt. Es handelt sich aber nicht unbedingt um ein Basis-Aufklärungsbuch. Wer dergleichen in mehr klassischer Systematik sucht, sollte in Ann-Marlenes Aufklärungs-Imperium ergänzend auf „Make love“ and „Make more love“ zurückgreifen. Alles in allem ein lustvoll-hilfreicher Beitrag, der seinen Platz auf jedem Nachttisch, neben dem Küchentisch oder auf dem Kuschelteppich verdient hat.

Arnim von Auerbach (AvA)

PS: Dass die Lektüre nicht nur für Männer oder Menschen, unterhalb der Fünfziger-Schwelle funktioniert, zeigt das Beispiel einer Mitsechziger-Freundin, die beim Rezensenten zu Besuch, das Rezensionsexemplar partout nicht mehr aus der Hand legen wollte.

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