Buchrezension: One Night Stand

Ich halte das Taschenbuch „One Night Stand – Aufzeichnungen einer Philosophiestudentin“ von Swantje Marx in den Händen und bin etwas nervös. Auf dem Umschlag glänzt etwas lackfarbenes rotes, das einem verpackten Kondom gleicht und macht mir Lust auf ein erotisch verruchtes, anrüchiges und hoffentlich schmutziges Lesevergnügen.
Die 25-jährige Swantje lernt nur wenig älteren Marc in einer Singlebörse im Internet kennen, sie treffen sich, reden über viele Stunden. Beide vereint die Leidenschaft für One-Night-Stands (ONS). Sie vereinbaren, sich genau ein Jahr später wieder zu sehen, um sich gegenseitig ihre niedergeschriebenen Sexerfahrungen zu überreichen.

Das Experiment beginnt, die „Nymphomanin“ führt ihr Tagebuch für den „Sexsüchtigen“. Swantje nimmt mich als Leserin fast täglich mit in ihre Welt aus Sex-Abenteuern, Alkohol, Drogen, Emails ihres Vaters, Skype-Sitzungen mit ihrer Mutter und Reiseberichten. Sie schreibt alles auf, für sich, für Marc, für mich.
So vergeht das Jahr recht schnell und das neuerliche Treffen mit Marc steht an. Dem Marc, der Swantje nun fast schon vertraut geworden ist, weil sie ihm in ihrem Tagebuch die ehrlichsten und intimsten Einblicke „hinter ihre Nymphomaninenfassade“ gewährt. Der Ausgang dieses Treffens ist offen, überraschend und doch irgendwie fast vorhersehbar, denn inzwischen „kenne“ auch ich ja Swantje recht gut.
Sie ist mir über die Seiten sympathisch geworden. Ich sehe ihr nach, dass sie meinem Drang nach schmutzigen und aufgeilenden Detailschilderungen ihrer Sexdates nicht nachkam. Eher ein Buch, das den Leser teilhaben lässt an Swantjes Experiment und an ihren nüchternen Situationsbeschreibungen, die manchmal fast herzlos distanziert wirken.
Ihr Drogen- und Alkoholkonsum erschreckt mich zuweilen und ich vermisse immer wieder zarte, weiche, weibliche Züge in ihren Ausführungen. Sie hat Sex mit Oper23, Brit24 oder anderen Nicknames, kommt von Designer30 nicht los und hat scheinbar nur kaum wirklich erfüllende, nährende sexuelle Begegnungen. Sie macht vieles mit sich selbst aus oder eben mit ihrem Tagebuch-Marc.
Das stimmt mich als Leserin immer wieder traurig, ich warte sehnsüchtig darauf, dass sich Swantje doch endlich verlieben mag, glücklich sein möge und so Ruhe in ihr eher getriebenes Leben einkehren solle. Ich beneide sie nicht wirklich um all diese Erlebnisse, habe zwischendurch sogar Mitleid mit ihr und empfinde am Ende des Buches deutlich Erleichterung. Ab und an schimmert eine weiche bedürftige junge Frau durch die Zeilen hindurch und zeigt die andere Seite des Lebens.
Swantjes Leben verändert sich und damit darf auch die Sehnsucht in ihr aufkeimen. Die Sehnsucht nach etwas, was nicht in die ONS gehört und nie gehören darf. Die, vor der Swantje am meisten Angst hat.

Swantje Marx: One Night Stand – Aufzeichnungen einer Philosophiestudentin
224 Seiten
8,99 Euro

Bewertung:

Vielen Dank an unsere Gast-Rezensentin: Climbing Rose