„Kerlige Mannsbilder“
von Michael Klarmann
Das Wartezimmer glich einem kleinen, hellen Saal. Eine Ecke davon war durch eine Theke abgetrennt. Hinter dieser mühten sich zwei Arzthelferinnen mit Telefonen, Computer und dem Fax ab. Mehrere, überwiegend in weiss gekleidete Mädels filzten hin und her, kamen aus angrenzenden Türen oder Korridore, und verschwanden anderswo wieder.
Ich harrte der Dinge, um einen Operationstermin bezüglich meiner Beschneidung in die berüchtigten trockenen Tücher zu wickeln. Unterdessen wurmte mich die Frage, warum man beim Urologen diese Art von Zeitschriften auslegte. Das minderte meine begeisterte Lektüre aber keineswegs.
Bei Vermischtes war sie mir zu Augen gekommen. Wie ein Snowboard über die Schneepiste sausten meine Pupillen über die Zeilen. Ihr barbusiges Bild entfiel meinem Gedankenbauklötzchen fast gänzlich bei meiner angespannten Lektüre.
Resi lebte auf der Alm, sie sei Melkspezialistin. Die Rindviecher eines entfernten Verwandten, an denen sie gerade für einen Rekordversuch sich abrackerte, waren ihr gütlich gesinnt. Sie ließen Resi gewähren bei den werktäglichen Fingerübungen. Es ging um den Rahm-Rekord, jener sei zu brechen, er läge im Moment bei 100 Liter per Handmelken im Dauerbetrieb.
Ich hatte davon gehört, dass solche Notizen zu aufreizend fotografierten Mädchen oftmals von Frauen verfasst wurden. Studierte wohlgemerkt, solche, die Journalismus gebüffelt hatten. Ich sah von dem Papier auf und blickte zu einer der beiden Arzthelferinnen. Sie sah mich an und grinste, wie man es so verpflichtet ist beim Dienst am Kunden.
Ich hingegen begann in Gedanken zu texten: Charlotte lebt in einer großen Stadt. Ihre Mutter ist Französin, ihr Vater Italiener. Ihr grösster Wunsch ist es, Aktmodell zu werden. Noch verdingt sie sich aber als Arzthelferin. Ihre knackige Figur… Ich merkte regelrecht, wie mir, als Mitglied des starken Geschlechts, die Umschreibung ins Abscheuliche sowie plumpe Klischee entglitt. Also ließ ich meine Phantasie ruhen, konzentrierte mich wieder auf die Zeitung und blätterte um.
Loretta empfing mich, bezaubernd lächelnd. Eine Farbige, die wenig Kleidung trug, aber das bisschen, was sie vorzuweisen hatte, das ließ ein Hasenkostümchen vermuten. Schon der erste Satz brachte mich um den Verstand: Hier sehen Sie die rassige Loretta als Frühjahrsschokoladenhohlkörper…
Als ich meinen Namen hörte wurde mir ein wenig anders. Es ging nur um einen Termin, aber ich hörte Metall klappern.