In der aktuellen Ausgabe 12 des P.O.-Magazins ist folgender Artikel von mir erschienen.
Plädoyer für die Treue
Wer sich in den einschlägigen Erotikportalen oder auch Magazinen tummelt, kommt um den Eindruck nicht herum, dass Monogamie out ist. Es scheint so, als gäbe es nur noch sexuell aufgeschlossene Menschen, die in unterschiedlichen Formen offene Beziehungen führen. Monogamie wird zum Teil sogar erheblich abgewertet. In dem Buch „Frühstück zu dritt“ las ich sogar folgendes Zitat: „Meiner Meinung nach stellt auch Monogamie einen Mangel dar. Ein einziger Mensch soll auf Biegen und Brechen zumindest für die gesamten sexuell-erotischen, oft auch emotionalen und intellektuellen Bedürfnisseherhalten. Warum eigentlich? Mir scheint, als diene die Idee der Monogamie lediglich dazu, inneres Wachstum zu verhindern, Verantwortung für das eigene Glück abzulehnen. Für jeden ganz persönlich und damit auch in gesellschaftlicher Hinsicht.“ Weitere Wertungen sind: Monogame seien besitzergreifend, nicht selbstbewusst weil eifersüchtig, und könnten ihrem Partner keine Freiheit lassen.
Um es einmal ganz klar zu sagen: Ich habe nichts gegen offene Beziehungen oder gegen Polyamory. Ich habe nichts dagegen, mit dem Partner in einen Swingerclub zu gehen und dort das ein oder andere Abenteuer zu erleben. Jeder Mensch soll seine Sexualität so leben, wie er oder sie es möchte und wie es ihm gut tut. Doch allzu häufig wird eine Öffnung der Beziehung als die Lösung schlechthin dargestellt. Es klappt nicht mehr im Bett? Dann geht doch mal in den Swingerclub. Sie haben unterschiedliche Vorlieben? Dann sollen sich beide doch die passenden Gespielen suchen. Ist das wirklich die Lösung?
Weil das Konzept Ehe oder Monogamie angeblich nicht mehr funktioniert, wird es als sinnlos und veraltet dargestellt. Es stimmt, Ehen halten nicht mehr so lange wie früher. Aber bedeutet eine lange Ehe automatisch eine gute Beziehung? Nein, früher trennte man sich auch gesellschaftlichen oder finanziellen Gründen nicht. Heutzutage sind Frauen tendenziell finanziell unabhängiger und können es sich auch erlauben, eine Trennung einzuleiten. Auch gesellschaftlich sind Geschiedene keine „Versager“ mehr.
Dass doch immer noch geheiratet wird, zeigt doch auch die Sehnsucht nach Sicherheit und Zugehörigkeit. Danach, etwas Besonderes für einen anderen Menschen sein zu wollen, und einen besonderen Menschen an seiner Seitehaben zu wollen.
Wer ein Auto fahren will, muss einen Führerschein machen. Erst dann ist man berechtigt, ein Auto zu führen. Doch obwohl fast alle einen Führerschein haben, gibt es Unfälle oder Regelverstöße. Stellt man deswegen den Führerschein in Frage? Warum ist das mit der Ehe so? Nur weil es mehr Scheidungen gibt, weil Partnerschaften nicht mehr so lange halten, soll das Konzept der festen Zweierbeziehungen aufgegeben werden?
Manchmal wird behauptet: ein Mensch kann dem anderen nicht alles geben, was er braucht. Ja und? Wo steht denn geschrieben, dass man alles erleben können muss, was möglich ist? Ich rede hier nicht davon, eine Situation einfach hinzunehmen und passiv alles zu erdulden. Jeder Mensch hat ein Recht darauf, sich weiterzuentwickeln und seine Wünsche zu erfüllen. Doch dabei klingt eine Egozentrik an, die nur darauf aus ist, die eigenen Bedürfnisse zu erfüllen. Doch in einer Beziehung geht das einfach nicht immer. Manchmal sind die Wünsche unvereinbar und dann muss einer von beiden sich zurücknehmen. Man kann sich durch einen Verzicht auch persönlich weiterentwickeln.
Wenn ich mir meine Bedürfnisse nicht woanders befriedige, bin ich gezwungen, mich mit mir und meinem Partner auseinanderzusetzen. Ich kann nicht einfach ausweichen, indem ich das Problem bzw. die Lösung outsource.
Wenn ich meinen Partner nicht teilen möchte, ist das dann gleich automatisch mangelndes Selbstbewusstsein oder Besitzdenken? Nein! Wenn ich mit meinem Partner etwas erleben möchte, was er nur mit mir erlebt, ist das dann einengend? Nein. Wenn ich nicht möchte, dass in unserer Beziehung und dem,was ich als Beziehung formuliere, andere Menschen mitmischen, ist das dann Einengung? Nein. Kein Mensch ist besitzergreifend oder spießig nur weil er nicht alles teilen möchte.
Es kann so schön sein, mit dem Partner etwas zu teilen, was nur beide gemeinsam erleben. Etwas, das nur ihn und mich angeht. Das mag romantisch klingen, aber es zeugt von einer Sehnsucht nach tiefen Gefühlen. Und was kann tiefer sein, als sich auf einen Menschen voll und ganz einzulassen? Mit den guten und den schlechten Seiten? Mit allem, was mich erfüllt oder auch nicht erfüllt? Warum nicht mit einem alles?