Romantikhotel

Reise in eine andere Welt: der Swingerclub, Teil II

(Der erste Teil des Artikels ist hier nachzulesen)

„Alles kann, nichts muss“ lautet das oberste Gebot in Swingerclubs. Eine Formulierung, die schon etwas freundlicher klingt. Nachdem Silke mich bereits über die ersten Klischees in Sachen Swingerclubs aufgeklärt hat, geht es nun ans Eingemachte.

Meine größte Angst wäre ja, dass man im Club plötzlich dem Nachbarn begegnet. Das stelle ich mir extrem peinlich vor. Aber Silke beruhigt mich: Warum sollte es dem anderen nicht genauso unangenehm sein? Wahrscheinlich aber interessiert es entweder gar nicht, oder es wird nicht darüber gesprochen.

Dann geht es mir um diesen beschworenen „Alles kann, nichts muss“-Kodex. „Was bedeutet das eigentlich konkret?“, frage ich Silke, denn eine Bekannte von mir war einmal in einen berühmt-berüchtigten Club eingeladen und musste sich mehrfach unerwünschter, aber leider hartnäckiger Hände erwehren.

Silke versichert, dass ungefragte Berührungen in Swingerclubs eher selten sind. Wohl auch, weil kaum kein Clubbetreiber zulässt, dass übergriffige Besucher andere Gäste belästigen. „,Alles kann, nichts muss‘ meint, dass in einem Club niemand zu etwas gezwungen wird. Es ist nicht so, dass alle wahllos übereinander herfallen. Im Gegenteil: Viele Pärchen kommen, weil sie die Atmosphäre erregt, aber nicht, weil sie mit anderen Partnern Sex haben möchten. Das ist vollkommen in Ordnung. Niemand wird deshalb schräg angeguckt.“

Hmm, aber besteht der Sinn eines Swingerclubs nicht gerade im „swingen“? Wie funktioniert denn da die Kontaktaufnahme?

„Der klassische Ort für die Kontaktaufnahme ist die Bar. Da kann man erst einmal ein Gläschen Sekt trinken, sich unterhalten und schauen, ob die Chemie stimmt. In den Clubräumen bahnt sich Weiteres durch Augenkontakt an – wer wegguckt, möchte nicht gestört werden, wer flirtet, kann sich mehr vorstellen“, erklärt Silke. „Auch sanfte Berührungen an unverfänglichen Stellen können möglich sein – die Stimmung in einem Club lebt schließlich zu großen Teilen von der Spontaneität.“ Insgesamt seien die Besucher aber etwas lockerer als in der ,Außenwelt‘, und eine gute Seite habe der Verhaltenskodex, meint Silke: „Man schärft die Sensibilität der Wahrnehmung.“

Ich erinnere mich wieder an den Artikel in der Neon. Wer den Artikel bis zum Ende gelesen hat, spürt, dass der Autor vor dem Sex zu viert seine feste Beziehung beschwört und dabei nicht ganz überzeugt klingt. Kein Wunder, denke ich, denn die Vorstellung, dass der Liebste vor den eigenen Augen eine andere Frau ebenso begehrlich berührt, ist sicher nicht jedermanns Sache. „Bevor ein Paar einen Club betritt, sollte es sich vorher mit seiner Beziehung auseinandergesetzt haben“, sagt Silke. Denn gerade vor dem ersten Besuch im Swingerclub kann es sein, dass man sich noch gar nicht sicher ist, wie weit man selbst gehen möchte – oder wie viel Fremdberührung man dem anderen zugestehen kann. „Um den anderen nicht aus Versehen zu verletzen, sollte man vorab mit seinem Partner Grenzen zu definieren. Etwa, dass Fremde nur gestreichelt werden. Später lassen sich diese Grenzen ja verändern“, rät Silke. „Auf jeden Fall sollte man aber auf den anderen achten und schauen, ob er sich auf diesem Terrain wohlfühlt. Sonst macht es keinen Spaß.“

„Hmm“, brumme ich nachdenklich und schaue Silke an. Wie so oft scheint die Realität etwas anders zu sein. „Ja, der gebotene Respekt macht das Ganze etwas zahmer, als es bestimmte Medien stilisieren“, sagt Silke. „Swinger – das klingt natürlich nach viel abenteuerlicherem Sex als den, den Paare in der Regel in einer jahrelangen Beziehung haben.“

„Stimmt“, pflichte ich bei und erinnere mich an meine ehemalige Arbeit als PR-Berater. Selbstverständlich erregt das Besondere mehr Aufsehen als das, was sowieso alltäglich ist. Ich lache: „Manchmal habe ich heute das Gefühl, dass man sich rechtfertigen muss, wenn man schon zehn Jahre in einer Beziehung lebt.“ Silke nickt. „Viele haben dadurch das Gefühl, dass sie etwas falsch machen – da wird eine liebevolle Beziehung schnell als langweilig bewertet. Das Paradoxe der medialen Aufklärung ist, dass man mehr über Dinge erfährt, die man vermeintlich machen muss.“

„Das heißt also, dass sich Menschen leicht von den Medien blenden lassen, obwohl es eben nur Geschichten sind?“, frage ich.

„Genau das. Ein Besuch im Swingerclub kann eine Beziehung bereichern, muss es aber nicht.“

Ich nippe an meinem Glas und grüble. So inspirierend diese Idee auch sein mag – ich bin mir nicht sicher, ob ich nur die Vorstellung faszinierend finde oder ob ein Besuch tatsächlich etwas für mich wäre. Jedenfalls bin ich überzeugt, dass eine Beziehung durch ein wenig Fantasie nicht schlechter wird. Und falls man doch einmal mehr brauchen sollte, weiß man ja jetzt, worauf man achten muss.