Seitensprung an der Tagesordnung?

Seitensprünge und Affären scheinen mittlerweile salonfähig geworden zu sein – und immer mehr Menschen gestehen sich es auch zu, trotz fester Beziehung oder Ehe Sex mit anderen Partnern zu haben. Diesen Eindruck kann man jedenfalls bekommen, wenn man sich in der medialen Welt umschaut. So genießen zum Beispiel Seitensprungportale und Kontaktbörsen speziell für Menschen, die in einer Affäre interessiert sind, regen Zulauf. Aber ist es heute wirklich so viel anders als früher? War Untreue nicht immer schon ein Thema, das die Menschheit bewegt hat?

Schon in der Bibel wird sie thematisiert: die Ehebrecherin, die gesteinigt werden soll. Sie überlebt, weil sich niemand findet, der selbst frei von Sünde ist, um den ersten Stein auf sie zu werfen. Relikte wie der Keuschheitsgürtel zeigen, dass sich auch im Altertum und im Mittelalter die Menschen mit dem Seitensprüngen (und ihrer Verhinderung) auseinandergesetzt haben. Tatsache ist: Das Fremdgehen wurde damals jedoch wesentlich strenger geahndet als heute in unserer westlichen Welt. Zumindest, was untreue Frauen betraf: Im Mittelalter drohte ihnen der Tod durch das Schwert, wenn sie beim Seitensprung ertappt wurden. In Deutschland war Ehebruch noch bis ins zwanzigste Jahrhundert ein Straftat. Erst mit der Abschaffung der Schuldfrage bei einer Ehescheidung wurde in der Bundesrepublik am 01.09.1969 auch auf juristische Konsequenzen bei sexueller Untreue verzichtet. Diese Entwicklung zeigt, dass unsere Gesellschaft mit Seitensprüngen mittlerweile toleranter und offener umgeht. Ob wir das aber auch ausnutzen, um häufiger fremdzugehen, bleibt zu untersuchen.

Der Seitensprung: gesellschaftlich mittlerweile akzeptiert?

Internetportale wie die Seitensprung-Fibel.de zeigen, wie groß das Interesse an diesem Thema ist. Menschen in Partnerschaften wissen, wie schwer es ist, ein Leben lang treu zu sein und suchen im Internet den Austausch mit anderen, aber auch Rat und Hilfe zum Thema Untreue, wie sie von der Seitensprung-Fibel geboten werden. Auch dies ist ein Zeichen dafür, dass der Seitensprung enttabuisiert wird: Viele sprechen offen darüber. Den Weg dahin bereitet hat sicherlich unter anderem die oben erwähnte „Legalisierung“ der Untreue. Wer heute fremdgeht, muss sich – wird er dabei erwischt – eher mit moralischen Schuldzuweisungen als mit juristischen Konsequenzen auseinandersetzen. Auch dies senkt die Hemmschwelle, über den Tellerrand der festen Beziehung hinauszuschauen.

Individualität und persönliche Freiheit als höchstes Gut?

Früher bedeutete Partnerschaft oder Ehe meist zugleich, gemeinsam für eine Großfamilie sorgen zu müssen und von materiellen Umständen viel abhängiger zu sein als heute. Der moderne Mensch lebt in einer Partnerschaft hingegen weitaus eigenständiger als früher. Individuelle Entfaltungsmöglichkeiten, ein gesundes Maß an Egoismus, persönliche Freiräume: All dies wird auch von Psychologen als Schlüssel zu einem erfüllten Beziehungsleben gesehen. Unterm Strich ist aber diese Stärkung des Individuums auch ein Grund dafür, dass wir unser sexuelles Begehren außerhalb der Beziehung nicht mehr reglementieren lassen möchten. Da der Wunsch nach partnerschaftlicher Bindung ebenso wie lustvoller Sex jedoch ein menschliches Grundbedürfnis ist, wird fremdgegangen, um beide Bedürfnisse zu befriedigen.

Mehr Unabhängigkeit fürs weibliche Geschlecht: die Emanzipation der Frau

Gehen Männer häufiger fremd als Frauen? Jüngere Untersuchungen zufolge nicht, das hat auch die Theratalk-Studie der Göttinger Universität unter Leitung des Psychologen Ragna Beer ergeben. Auch der offene Umgang mit dem Thema findet augenscheinlich nicht mehr nur bei Männerstammtischrunden statt, sondern ist auch Gesprächsstoff unter Frauen. Warum? Weil sie es sich erlauben können. Weil Frauen von Männern im Zuge der Emanzipation auch wirtschaftlich unabhängiger geworden sind. Während sie es sich früher als Hausfrau und Mutter schon materiell kaum leisten konnten, durch einen Seitensprung die Sicherheit des Familienverbundes zu verlieren, sind sie heute meist in der Lage, im Falle einer Trennung auch für sich alleine zu sorgen. Zudem bietet auch unser Sozialsystem die Chance, als Alleinerziehende überleben zu können. Für Männer wiederum stellt diese gewachsene Selbständigkeit eine Herausforderung dar: Gleichberechtigte Frauen gehen weniger Kompromisse ein bzw. stellen höhere Ansprüche an den Mann. Auch um diesen gewachsenen Druck zu kompensieren, suchen Männer Ausgleich in einem Seitensprung. Oder Frauen entscheiden sich dafür, mangelnde sexuelle Erfüllung in der Partnerschaft in einer Affäre zu suchen.

Weniger moralischer Druck durch Institutionen wie die Kirche

Auch der Einfluss der Kirche hat im Laufe der Zeit an Bedeutung verloren. Zwar hat sich die Einstellung der Kirche zum Thema Untreue kaum gewandelt, aber immer weniger Menschen lassen sich in ihrer Lebensführung davon nennenswert beeindrucken. Ehebruch als „Sünde“ im religiösen Sinne wird längst nicht mehr als so kardinales Verbrechen betrachtet wie früher. Einen Beitrag dazu leisten sicher auch die Medien, die sehr öffentlichkeitswirksam die Fehlbarkeit kirchlicher Würdenträger beleuchten. Gerade durch das Thema Missbrauch hat sich die Kirche als moralische Instanz für viele relativiert.

Fremdgehen ist durch das Internet einfacher geworden

Gelegenheit macht Liebe: Durch das World Wide Web sind räumliche Entfernungen kein Thema mehr. Auf einen Klick können wir mit unzähligen Gleichgesinnten in Kontakt treten, wenn wir einen Seitensprung suchen. Internetkontaktbörsen und Seitensprungportale boomen und werben auf vielen Kanälen für ihr Angebot. Auch die käufliche Liebe erfährt durch ihre Medienpräsenz in TV-Werbung und auf tausenden Internetseiten immer mehr Aufmerksamkeit. Damit ist der Seitensprung ein gesellschaftsfähiger Wirtschaftszweig geworden, für den Einzelnen sehr leicht zu realisieren – und längst enttabuisiert. ?
Weniger Angst vor ungewollten Schwangerschaften und Krankheiten?Frauen, die früher fremdgingen, riskierten viel – unter anderem auch eine ungewollte Schwangerschaft. Seit Erfindung der Pille (oder notfalls der „Pille danach“) haben sie die Verhütung selbst in der Hand. Zudem sind HIV und auch weniger gefährliche beim Sex übertragbare Krankheiten nicht mehr so allgegenwärtig in unseren Köpfen. Oder andersherum gesagt: „Safer Sex“ hat sich zumindest im Bereich der käuflichen Liebe etabliert, und auch Seitenspringer männlichen wie weiblichen Geschlechts greifen zum Kondom, um einigermaßen sicher ihr erotisches Abenteuer ausleben zu können. Ob berechtigt oder nicht: Die Angst vor sexuell übertragbaren Krankheiten ist offenbar längst nicht mehr so groß wie noch in den 80er und 90er Jahren. Und schon traut man sich wieder was.

Schneller, höher, weiter: der Druck durch die Medien

Die starke Präsenz der Medien hat natürlich mindestens zwei Seiten. So werden wir von TV, Zeitschriften und Internet auch massiv mit Informationen überflutet, was das Thema Sex betrifft. Was schön und begehrenswert ist, sagen uns die Medien. Wie, wie oft und mit wie vielen wir Sex haben sollten, um auf der Höhe der Zeit zu sein, auch. Um alle Vorstellungen und Erwartungen an ein perfektes Liebesleben zu erfüllen, müssen wir ganz schön auf Zack sein. Viele sehen sich dadurch unter Druck gesetzt. Und fragen sich andererseits, ob das, was sich im ehelichen Bett abspielt, eigentlich alles gewesen sein soll. Oft scheint es ja nach ein paar Jahren ein bisschen eintönig und fantasielos, und andererseits sollen wir doch möglichst alle unsere Bedürfnisse befriedigen, um wirklich glücklich zu sein – sagen die Medien. Zudem hat die Pornoindustrie dafür gesorgt, dass die sexuellen Fantasien vieler Menschen immer extremer werden und sie sich Praktiken wünschen, für die der Partner vielleicht nicht zu begeistern ist. Auch dies sind Ursachen dafür, dass wir offener sind für Seitensprünge. Was man mit dem Partner nicht erleben kann, erfüllt man sich eben in einem Seitensprung oder in einer Affäre.

Seitensprung als Chance?

Es gib unzählige Ratgeber zum Thema Fremdgehen – und fast genauso viele unterschiedliche Meinungen. Weithin einig sind sich Psychologen in der Auffassung, dass der Mensch nicht unbedingt zur ewigen Treue „gemacht“ ist. Einige wie der Beziehungsexperte Michael Mary gehen sogar so weit zu sagen, dass eine harmonische Langzeitpartnerschaft mit einer erfüllten Sexualität gar nicht vereinbar ist – dies sei eine romantische, irreale Vorstellung. Vielmehr müsse es darum gehen, respektvoll und erwachsen mit dem Thema Seitensprung in einer Beziehung umzugehen. Auch Thomas Schmidt, Betreiber der Internetplattform Seitensprung-Fibel.de, meint dazu: „Die Menschheit hat schon immer der außerehelichen Liebe gefrönt. Unsere Ansprüche in Sachen Sex und Erotik sind heute aber viel höher als noch vor 30 oder 40 Jahren. Im Hinblick auf Lust und Liebe hat sich unsere Gesellschaft durch ihre „Ich will alles, und zwar sofort“-Mentalität auch, das ist das Positive daran, zu mehr Toleranz weiterentwickelt. Die Selbstverwirklichung ist heute zentrales Thema in einer Welt der Individualisten. Sex außerhalb der Beziehung können wir auch durch moderne Verhütungsmethoden und Safer Sex angstfreier annehmen. All diese Entwicklungen werden von den Medien unterstützt – das sorgt auch dafür, dass Seitensprünge kein Tabu mehr darstellen und Fremdgehen fast salonfähig geworden ist. Wahrscheinlich gehen die Menschen heute nicht unbedingt häufiger fremd als früher, aber sie gehen auf jeden Fall dank gelockerter „Rahmenbedingungen“ offener damit um.“

Gehen wir heute also wirklich mehr fremd als früher?

Statistisch belegbar ist es wohl kaum – dazu ist die Dunkelziffer aus der Vergangenheit zu hoch. Aber viele Indizien sprechen dafür, dass der Seitensprung heute eher als „Normalfall“ angesehen wird und damit auch weniger Wagemutigen den Weg ebnet, ihre sexuellen Bedürfnisse bei Bedarf außerhalb der festen Beziehung zu leben. Dass ein Seitensprung nicht mehr sofort zur gesellschaftlichen Ächtung – gerade von Frauen – führt, ist dabei sicherlich ein positiver Nebeneffekt. Die Herausforderung ist es, das Thema Fremdgehen weiterhin zu enttabuisieren und konstruktiv mit der Tatsache umzugehen, dass die Neigung zur Untreue in den meisten Menschen angelegt ist – auch wenn sie sich selbst von ihrem Partner Treue wünschen. Tatsächlich wird sich, wer in einer festen Beziehung lebt, in den meisten Fällen irgendwann damit konfrontiert sehen, dass sein Partner fremdgeht oder er selbst Lust auf eine Affäre hat. Hier den richtigen Weg zu finden, die Balance zwischen Offenheit und Diskretion zu halten, den Seitensprung als Chance für die Partnerschaft zu sehen und mit Offenheit und Toleranz sich selbst weiterzuentwickeln, kann ein wichtiger Baustein für eine lange funktionierende Beziehung sein. Auch empfielt es sich, diesem Zusammenhang mit der Thematik der offenen Beziehung auseinanderzusetzen.

Vielen Dank an Thomas Schmidt, dem Betreiber der Internetplattform Seitensprung-Fibel.de

Seitensprung-Fibel.de ist seit 2008 das führende deutschsprachigeInformationsportal, das sich der heimlichen Liebe in all ihren Facetten widmet. Die umfassende Ratgeber-Seite versorgt täglich tausende Besucher mit Fachartikeln, Tests von Singlebörsen für erotische Kontakte sowie einer großenBücher- und Literaturauswahl rund um das Thema Untreue. Im Beziehungs-Kompendiumfinden Ratsuchende unzählige Experten-Antworten auf Fragen zu Liebe und Fremdgehen mit verschiedenen Sichtweisen deutscher Liebesexperten.

Was haltet ihr von der Behauptung, den Seitensprung als Chance für eine Beziehung zu sehen? Wir sind gespannt auf Eure Kommentare!

 

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  1. Ein Seitensprung kann eine Chance sein aber nur wenn, am besten zu Beginn, einer Partnerschaft klar und offen über die gegenseitigen Vorstellungen gesprochen wird. Manche führen vielleicht von Anfang an eine offene Beziehung oder man „sorgt“ praktisch schon vor und steckt schon mal ab, was passiert, wenn…“. Entscheidend ist ja auch, ob es ein einmaliger Ausrutscher ist oder eher zur längeren Affäre wird. Wenn man sich einig ist und vereinbart, bei einem Ausrutscher kein Fass aufzumachen und es einfach für sich zu behalten. Wenn man jedoch merkt, es tendiert doch zur Affäre und nimmt ernstere Züge an, sollte man dem Partner gegenüber fair sein und ein offenes Gespräch suchen. So hat der andere und man selbst die Möglichkeit, sich Gedanken darüber zu machen, ob man die Beziehung weiterführen möchte oder nicht.

  2. Huch, bin ich altmodisch?
    Ich bin eine attraktive Frau in den „besten Jahren“. Ich habe am Anfang der jetzigen Beziehung klar und deutlich gemacht, dass ein Seitensprung für mich das „Aus“ der Beziehung bedeuten würde…und daran hat sich auch nichts geändert.
    Ich war als Single auch in Singlebörsen unterwegs. Ich habe zwar viele sympatische Männer kennengelernt und Kontakte gehabt. Aber im Grunde war alles eine „Mogelpackung“….Männer die Frauen für Seitensprünge benutezn und anlügen. Da ich eine ehrliche Beziehung suchte und bis dato keine Erfahrung hatte, was „da so abging“, war das sehr verletzend.
    Ich bin der Meinung, und ich weiß das auch von anderen Frauen, dass ein Seitensprung kein Kavaliersdelikt für die meisten der Frauen ist. Wenn eine Beziehung auf Vertrauen aufgebaut ist, geht dieses Vertrauen durch einen Seitensprung meist verloren.
    Ich finde, die Intimität, die man mit seinem eigenen Partner hat, ist etwas Kostbares und sehr gefühlvoll.
    Kann man diese Gefühle bei SEitensprüngen ausblenden? Ich kann mir das nicht vorstellen. Es entsteht doch zwischen diesen Partnern eine gewissen Vertrautheit und Zärtlichkeit, die man normalerweise nur mit seinem eigenen Partner auslebt. Fühlt sich der Seitensprung besser an, der Sex ist vielleicht anders und aufregend; ist dann der Sex mit dem eigenen Partner noch der Gleiche? Wird die „Sucht“ nach fremder Haut, anderem, neuen und aufregenden Sex mit einem interessanteren Partner nicht immer größer?

    Vielleicht sollten Partner immer offen über Sex sprechen, sei es über Leidenschaften, Praktiken, Wünsche, Abwechslung, ohne Scheu und Angst vor einer Ablehnung.

    So, das wollte ich einmal loswerden, weil die Entwicklung dahin geht, dass ein Seitensprung für „normal“ gehalten und das ist er nicht. Ich kenne keine Frau, die das so einfach akzeptieren würde.

    Ich kann mir also auch keine offene Beziehung vorstellen.

    Also, mein Votum für Treue!

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