Weiblichkeit leben – ein Interview mit Leila Bust

Wann ist ein Mann ein Mann, fragte Herbert Grönemeyer in den 80er Jahren. Lange Zeit versuchten Frauen so zu sein wie Männer. Doch kann das das Ziel sein? Sollten Frauen nicht eher sein wie Frauen? Doch wie ist eine Frau eigentlich? Eine mögliche Antwort auf diese Fragen gibt uns Leila Bust. Sie ist Tantralehrerin und Therapeutin aus Dortmund. Sie hat das Buch „Weiblichkeit leben“ geschrieben, das wir nächste Woche hier auf erosa.de vorstellen werden. Silke Maschinger hat nach der Lektüre des Buches der Autorin einige Fragen gestellt:

Ihr Buch umfasst sehr viele Themen und Aspekte, die zur Weiblichkeit gehören. Für mich klang es eigentlich schon fast nach einer Lebensaufgabe. Sehen Sie das auch so? Und wo kann eine Frau anfangen, einen ersten kleinen Schritt in Richtung mehr Weiblichkeit zu gehen?

In meinem Buch schreibe ich über die psychologischen und persönlichen Aspekte der weiblichen Identitätssuche. Die Suche nach weiblicher Identität bleibt natürlich eine Lebensaufgabe, die sich in verschiedenen Lebensphasen auch immer wieder neu stellt und verschiedene Ausdrucksformen sucht. Doch unabhängig von Alter, Sozialstatus und Beruf sind Frauen heute in besonderer Weise herausgefordert, auf die Suche nach ihrer weiblichen Ausdrucksform zu gehen, da wir wenig nachahmenswerte Vorbilder für unser Frausein haben, jenseits der Glanz- und Glamourwelt der Medien.

Die Ausdrucksformen des Weiblichen sind vielfältig und jede Frau sollte für sich entscheiden, welche Schritte zu mehr Feminität ihr leicht fallen und ihrem Wesen am ehesten entsprechen. Am augenscheinlichsten drückt sich Weiblichkeit zunächst im Äußeren aus: den weichen Körperformen, sowie der betont weiblichen Kleidung. Jedoch muss eine sehr attraktive Frau nicht unbedingt besonders feminin sein. Viele Models und Stars benutzen antrainierte weibliche Attribute wie Kleidung, Styling oder sinnlichen Gang oft nur professionell, ohne einen inneren Kontakt zu ihrem Körper zu haben. Auch eine äußerlich weniger attraktive Frau kann sehr feminin sein.
Ihre Bewegungen sind dann eher langsam und fließend, ihre Sprache weich und angepasst. Sie ist körperbetont und legt Wert auf Make-up und Schmuck, um ihre Feminität damit zu unterstreichen. Ihr Körperbewusstsein zeigt sich in ihrer Sinnlichkeit und der Fähigkeit zu genießen. Sie ist eher prozessorientiert statt zielorientiert und hat ein ausgleichendes Wesen. In ihren Beziehungen sucht sie Harmonie statt zu provozieren oder zu konfrontieren. Sie kann aber auch ein wildes Temperament haben und ihre Gefühle direkt und unmittelbar zum Ausdruck bringen. Die weibliche Energie ist ursprünglich schöpferisch und kreativ. Sie drückt sich intuitiv, instinkthaft und körperlich-sinnlich aus. Sie ist offen, empfänglich und eher nach Innen gekehrt. Verbundenheit, Geborgenheit, Kontinuität und Sicherheit sucht und gibt sie auch. In der Sexualität vermag sie loszulassen und sich hinzugeben. Der zielorientierte Orgasmus steht nicht im Fokus, sondern das sexuelle Erleben. Daher hat sie das Potenzial zu vaginalen Mehrfachorgasmen oder auch zum uterinen Orgasmus.

Eine feminine Frau hat ihre Körperlichkeit, Weiblichkeit und Sexualität für sich voll entwickelt und sich damit tief verbunden. Sie ist in gutem Kontakt mit ihrer eigenen Selbstwahrnehmung und weiß, was ihr gut tut und was nicht. Sie kann ihre Weiblichkeit leben, indem sie sich einem Mann, einer Gruppe oder Situation anpasst ohne sich dabei aufzugeben. Sie ist eine selbstbewusste Frau: integer, ehrlich und kommuniziert offen ihre Wünsche und Bedürfnisse.
Sie erlebt sich als sinnlich-sexuelles Wesen und lebt eine freie Sexualität. Sie ist offen, neugierig und begeistert vom Leben und den Menschen. Daher hat sie viele Kontakte, Frauen und Männer, die sie trifft, um mit ihnen zu feiern, zu tanzen oder auch sich auszutauschen.
Erste Schritte auf diesen Weg können Aktivitäten wie Tanzen, Flirten, Massagen, das bewusste Zusammensein mit anderen Frauen oder auch Meditation sein. Hierbei werden die weiblichen Qualitäten neu erweckt: Sensibilität, Herzlichkeit, ein gutes Körperbewusstsein und Sinnlichkeit.

Es gibt ja nicht die EINE Frau, jede ist ganz einzigartig und individuell. Und dennoch meine Frage: Was glauben Sie, haben alle Frauen gemeinsam, was verbindet sie alle miteinander?

Trotz der Vielzahl an Lebensentwürfen mit unterschiedlichen sozialen, biografischen und sexuellen Profilen gibt es einen roten Faden an charakteristischen Themen und Verhaltensmustern, der sich durch die Frauenleben zieht und auf den kollektiven, bzw. archaischen Erfahrungen von Frauen beruht. Dazu zählt erst einmal die gemeinsame Geschichte, die ein kollektives Bewusstsein von Unterdrückung und Opfertum kreiert hat. Aber auch die Prägung durch ihre primären Beziehungen zu Mutter und Vater prägt Frauen in ähnlicher Form. Die entscheidende Basis, die jedoch bei allen Frauen identisch ist, ist der eigene Körper mit der Produktion spezifisch weiblicher Hormone und der Möglichkeit dieses Körpers Kinder zu gebären. Jede Frau kommt als Frau auf die Welt und damit auch mit einer femininen Essenz. Darunter verstehen wir unseren innersten Kern, eine Art energetische Matrix, die unsere Psyche und Emotionen, unser Bewusstsein, das kollektive Unbewusste und unsere Sexualität prägt – auch wenn das in unserer Unisex Gesellschaft nicht anerkannt ist. Feminine Essenz beinhaltet Möglichkeiten, Entwicklungspotenziale, die wir als Frauen haben und uns prägen, unabhängig davon ob wir diese realisieren oder nicht.
Je ausgeprägter eine Frau ihre feminine Essenz lebt, umso eher wird sie einen maskulinen Mann anziehen oder die maskuline Seite in ihrem Partner stärken. Umgekehrt wird eine Frau, die stärker ihren maskulinen Pol lebt einen eher femininen Mann anziehen. Denn Anziehung beruht auf Polarität. So werden auch die sexuelle Spannung, Leidenschaft und das Feuer in der Erotik umso stärker je intensiver Frau und Mann ihre eigenen Pole ausleben.

Ihr Buch richtet sich speziell an Frauen. Was könnten Männer aus ihrem Buch lernen? Und wie könnten Männer ihre weibliche Seite ausleben, oder halten Sie das gar nicht für sinnvoll?

Die Autorin Leila BustMein Anliegen ist es, Frauen in ihre feminine Essenz zu führen; Männer müssen ihre maskuline Essenz stärken. In den letzten Jahrzehnten haben bedingt durch die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung Frauen nahezu nur ihre männliche Seite entwickelt; die Männer ihren weiblichen Pol. Dies führt dazu, dass sich Frauen wie Männer voneinander enttäuscht und missverstanden abwenden oder in permanenter Konkurrenz zueinander stehen.
Es gibt jedoch viele Frauen, die auf der Suche nach dem starken, maskulinen Mann sind, um mehr die eigene feminine Seite ausleben zu können. Frau und Mann wünschen sich unbewusst den anderen in der ihr/ihm eigenen Energie und Wesensart. Die Frau liebt den Mann, der stark und maskulin im Sinne von aufrecht, integer, klar und entschieden seinen Weg geht. Der Mann liebt die Frau, die sich ihm hingibt mit Körper und Herz, harmonisieren kann und die ihm vertraut.

In einer Unisex-Gesellschaft, in der Männlichkeit und Weiblichkeit abgelehnt werden, halten beide- Mann und Frau das Geschenk der eigenen Essenz für den anderen zurück. Beide lehnen oftmals ihre geschlechtliche Zugehörigkeit auf einer tiefen Ebene ab und unterdrücken die eigene Energie. Der Mann hat sich von seiner maskulinen Essenz abgespalten, weil er befürchtet, die Frau kann damit nicht umgehen und würde ihn zurückweisen. Das weibliche kollektive Bewusstsein hat ihn als Verräter und Täter verurteilt und er hat Schuldgefühle. Er schämt sich abgrundtief seiner maskulinen, kraftvollen Energie, die immer auch ein gewisses Maß an Aggressionspotenzial in sich trägt. Er versucht seine phallisch-männliche Sexualität zu verstecken, weil er sich dafür schuldig fühlt. Wenn er sich klein macht, so glaubt er, kann er die Schuld der Väter-Männer an den Frauen abtragen und von der eigenen Mutter weiter geliebt werden. Die Frau hat sich aufgrund ihrer kollektiven Geschichte spätestens seit der Frauenbewegung geschworen, nie mehr Opfer zu sein. Sie hat das männliche Wesen mit seinen Qualitäten so verinnerlicht, dass sie es für ihr eigenes hält. Sie hat dies in dem Glauben getan, dass sie sich nur so an der Seite des Mannes behaupten kann, um niemals mehr unterzugehen im Niemandsland der Vergessenen ihrer weiblichen Vorfahren.

So halten beide ihre essentielle Energie zurück und spielen eine verkehrte Rolle: Während Männer immer mehr zu netten, weichgespülten nice guys werden, haben verhärtete und besserwisserische Frauen die Kontrolle in der Beziehung. Frau und Mann ziehen sich enttäuscht voneinander zurück oder bekämpfen sich. Sie sind aufeinander wütend, da sie sich vom anderen betrogen fühlen, der das Geschenk der ihm eigenen sexuellen Energie zurückhält. Die Wut drückt sich dann in gegenseitigen Beschimpfungen als „Mannweib“ für die Frauen und „Weichei“ für die Männer aus.
Doch wir tragen immer auch den gegengeschlechtlichen Pol in uns, wie das im Yin-Yang-Symbol auch deutlich wird. Jede feminine Frau hat auch einen maskulinen Anteil und umgekehrt, der auch gelebt werden will. Wir sind aus unserer Mitte gefallen und finden nur schwer die Balance in dieser eigenen Polarität. Macho-Rammel-Sex und Impotenz sind die beiden extremen Pole von veräußerlichter maskuliner, aggressiver Hochspannung einerseits und der Unfähigkeit, Energie aufzubauen und die Spannung zu halten andererseits. Um seine innere Balance zu finden muss der Mann auch den weiblichen Pol in sich integrieren. Er muss aber auch den weiblichen Pol in sich entwickeln, damit die Frau sich in ihm wiederfinden kann. Auch wenn Gegensätze die stärkste Anziehung schaffen, müssen wir im anderen ein Gleiches finden, damit wir lieben können. Eine Frau wird kaum bei einem Mann bleiben, der gar keinen Kontakt zum weiblichen Pol hat.

Ein John Wayne oder ähnlich geratene Männer gehören einer aussterbenden maskulinen Spezie an, die nicht mit Frauen in Kontakt treten können, da ihnen grundlegende weibliche Fähigkeiten fehlen: sie können nicht kommunizieren, haben zu wenig Interesse am Menschen – und damit auch an der Frau als soziales kommunikatives Wesen und haben einen festen und gepanzerten Körper, der zum Liebemachen denkbar ungeeignet ist, da zu unsensibel. Heute, im Zeitalter der emotionalen Kommunikation halte ich es für dringend, dass Männer einen Zugang zu ihren eigenen Emotionen bekommen. Nicht nur damit die Frau mit ihrem Mann über ihre Gefühle sprechen kann, sondern damit er eine eigene emotionale Stärke entwickelt und sich damit aus der emotionalen Abhängigkeit von der Frau befreit.

Vielen Dank für das Interview! Hier geht es zum Buch: Weiblichkeit leben

Mehr zur Autorin Leila Bust und ihren Angeboten findet ihr unter www.lovecreation.de

  1. Oh Gott, bitte nicht.

    Das ist ja nur noch zusammengefaseltes NoSense-Geblubber.
    Bitte bitte, sowas drauf doch keiner ernst nehmen.

  2. Das liest sich einfach nur erschreckend reaktionär…
    Die zunächst noch so „vielfältigen Ausdrucksformen des Weiblichen“ werden von Frau Bust schließlich doch reduziert auf den üblichen weich-warm-emotional-instinkthaft-empfangend-Schmus, der als angeblich „feminine Essenz“ wiedererweckt werden muss, damit frau bekommt, was sie sich vermeintlich wünscht: den „stark-entschieden-klar-seinen-Weg-Geher“.

    Dieses Rollenspiel („Ich Tarzan, du Jane“) ist als SPIEL eine feine Sache!
    Aber die Psyche von Frauen (und Männern) auf diesen „feminine (bzw. maskuline) Essenz“-Schmarrn festzulegen (und zudem auch noch die „Suche nach weiblicher Identität“ zur Lebensaufgabe zu erklären! Genügt es denn nicht, eine persönliche Identität zu finden – und am besten auch immer wieder mal neu zu er-finden?), ist eine Wiederholung dessen, was seit Jahrhunderten die individuelle Entfaltung von Menschen jeglichen Geschlechts behindert (sie außerdem bei Normabweichung diffamiert, pathologisiert, verfolgt und Schlimmeres):
    Frau = Weichheit, Emotion, Harmonie, Anpassung, Empfänglichkeit, Instinkt, Natur
    Mann = Stärke, Rationalität, Führungswille, Durchsetzung, Aktivität, Geist, Kultur

    Es ist kaum noch zu ertragen, in wie vielen Varianten derzeit dieses ewig gleiche Normierungsinstrument der Geschlechterstereotypen wiedergekäut wird!

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