Allein unter Paaren – Eine Singlefrau rechnet ab

Ich habe viele Jahre darunter gelitten, dass ich keine feste Partnerschaft, sondern nur flüchtige Bekanntschaften hatte. Das Einzige, was ich wollte, war sich vollkommen für einen anderen Menschen aufzuopfern und diesem meine ganze Liebe zu geben– doch die Männer, die ich mir ausgesucht hatte, wollten nie eine feste Bindung. Wo, verdammt nochmal, war das Problem? Wenn ich mich da in meinem Freundeskreis umschaute, schien es doch so einfach zu sein. Meine beste Freundin war fünf Jahre lang mit einem Mann zusammen, an einem Samstag haben sie sich getrennt – am Sonntag war sie schon mit einem neuen Kerl unterwegs und die beiden sind nun auch schon fast ein Jahr glücklich. Ich denke, es ist verständlich, dass man langsam die Schnauze voll von allen Leuten um einen herum hatte, wenn diese das besaßen und so leicht kriegen konnten, was einem selbst so viele Jahre verwehrt geblieben war und das man sich von ganzem Herzen ersehnt hatte.
Ich konnte mich nicht für diejenigen freuen, wenn sie eine neue Beziehung hatten. Wie auch, wenn sie doch angeblich so sehr gelitten hatten nach der Trennung – eine Woche Single, oh mein Gott, ich sterbe! Doch im Handumdrehen sah man sie schon wieder grinsend mit einem neuen Partner durch das Leben hüpfen.
Ich habe mich nicht für sie gefreut. Nein, ich habe angefangen sie alle zu hassen. Sie zu hassen, wenn ich sie küssend oder kuschelnd irgendwo sitzen sah. Händchenhaltend in der Bar. Die Arme umeinander gelegt im Fahrstuhl.
Mein Hass ging irgendwann so weit, dass sich dieser nicht einmal mehr nur auf meinen Freundeskreis, sondern auch auf mir völlig fremde Leute in der Öffentlichkeit projizierte. Sah ich irgendwo ein Pärchen, konnte ich nicht umhin, diese mit absolut tiefer, blutrünstiger Verachtung anzusehen und sie am liebsten beide vom Bahnsteig oder der Brücke zu stoßen.
Weil ich glaubte, dass es ihnen allen so unendlich viel besser ging als mir.

Es musste erst dazu kommen, dass ich der Liebe abschwor, um zu erkennen, dass sie mir eigentlich alle Leid tun sollten.

Eine gute Freundin von mir ist vier Jahre jünger als ich. Sie ist sehr erfolgreich in ihrem Job, hat eine tolle Familie, einen großen und abwechslungsreichen Freundeskreis, eine riesige Wohnung, die ich mir niemals leisten könnte und natürlich seit Jahren einen festen Freund. Auch wenn ich ihr das nie gesagt habe – ich habe sie von allen Menschen, die ich kenne, immer am meisten beneidet. Ich hätte meine Seele verkauft, um das Leben leben zu können, das sie hat.

Doch ich begann mich zu verändern – wie ich in meinem anderen Artikel über Tinder bereits erläutert habe. Ich begann auszugehen, tun und zu lassen was ich wollte. Ganz alleine. Von acht bis neunzehn Uhr arbeiten, dann noch viermal in der Woche in die Tanzschule und dann noch auf die Piste, um Männer aufzureißen? Einfach so nach London reisen, dort drei Stunden im Regen stehen und mich dann um ein Ticket für ein Theaterstück mit meinem Lieblingsschauspieler prügeln? Ein ganzes Wochenende lang im Kloster verbringen, das Handy ausschalten und einfach nur schreiben? Kein Problem. Es gibt niemanden, der mich bremsen kann – und sollte es doch einer wagen, gibt es eine gepfefferte und ziemlich laute Antwort.

Natürlich blieb diese Veränderung meinem Umkreis nicht verborgen – und plötzlich kamen all die Frauen auf mich zu, die ich sonst so beneidet und teilweise gehasst hatte. Sie alle sagten die gleichen Sätze, unabhängig voneinander, zu mir: „Scarlet, ich beneide dich. Du machst, was du willst. Du denkst an niemanden außer an dich. Du hast keine Abhängigkeiten zu einer anderen Person. Du glaubst gar nicht, wie gerne ich mit dir tauschen möchte.“
Selbst jetzt, wo ich diesen Artikel schreibe, kann ich es kaum fassen, diese Worte gehört zu haben. Wie konnte das passieren? Sie schienen doch alle so glücklich zu sein.
Weit gefehlt. Am meisten schien sich ein Thema durch alle Beziehungen zu ziehen, wie ich dann feststellte: Kein Sex. Meine Freundinnen sehnten sich nach einem leidenschaftlichen Fick, doch ihre Männer hatten entweder nie Lust, waren Arbeiten oder hatten aufgrund der Arbeit keine Lust mehr. Wenn die Frauen es dann ansprachen, kam es automatisch jedes Mal zum Streit, was nur zu noch weniger Sex führte. Applaus, Applaus, Beziehungen sind eine ganz tolle Sache.

Dann kamen auch noch andere Aspekte hinzu, wie zum Beispiel nervige Schwiegereltern, mit denen man ja klarkommen muss, weil der Partner sonst beleidigt ist oder die Tatsache, dass man selten etwas alleine unternimmt – was ich die ganze Zeit tue. Oft habe ich auf die Frage, warum jemand eine Partnerschaft überhaupt erst haben will, die Antwort gehört, dass man dann ja mehr Dinge zu zweit unternehmen und man als Single ja so einsam wäre und nichts machen könne.

Dafür habe ich nur noch ein müdes Lächeln übrig. Nur, weil mir keiner an der Backe klebt, kann/darf ich also keinen Spaß haben? Ich bin automatisch dazu verdammt, einsam, traurig und depressiv zu sein? Wenn man den mitleidvollen Blicken, die auf den Satz „ich habe keinen festen Freund“ folgen, glauben mag, dann offensichtlich schon. Entschuldigung, aber was für ein Bullshit.

Ich sehne mich auf keinen Fall danach, eine Beziehung zu haben, weil ich dann mehr schöne Dinge erleben kann. Wenn ich Bock habe morgen auf den Mount Everest zu steigen, dann mache ich das einfach. Wieso sollte ich darauf warten, bis ich jemanden finde, der genau die gleiche, bekloppte Idee hat? Das gleiche gilt, in kleinerem Rahmen, natürlich auch. Wenn ich ein Theaterstück oder einen Film sehen will, sich aber niemand findet, der mich begleitet, warum sollte ich dann darauf verzichten?

Oft höre ich den Satz: „Oh, es ist beeindruckend, dass du dich das alles traust. Ich würde ja nie alleine irgendwohin gehen.“ Ich ringe mir dann ein höfliches Danke ab, aber eigentlich denke ich etwas anderes. Wenn man nämlich so etwas sagt, dann gesteht man sich – wohl unbewusst – selber ein, dass man sich selbst nicht genug ist. Dass man mit sich selbst keinen Spaß haben kann. Dass man nur Spaß haben kann, wenn jemand anderes dabei ist. Sorry, aber wie traurig ist das bitte?

Als Ausrede kommt dann meistens, dass es peinlich wäre, weil einen andere Personen dann „eventuell vielleicht“ komisch ansehen würden. Na und? Lasst die Armseligen doch glotzen. In Wahrheit sagen sie sich nämlich selber genau das: Ich würde das nie tun, weil ich das nicht könnte. Ihr seid dann besser als die! Ist doch großartig!

Klar, am Anfang ist es ungewohnt. Man glaubt wirklich, dass einen alle anstarren und ihr Mitleid über einem ergießen. Doch ich habe mir da einen Trick ausgedacht, der mich über diese Phase hinweg gebracht und mich zur Glückseligkeit geführt hat. Wenn ich alleine im Urlaub oder auf Geschäftsreise war, dann war ich in der fremden Stadt ja auch immer unterwegs, ohne jemanden an meiner Seite zu haben. Das scheint für die meisten, wie ich nach einer Umfrage in meinem Freundeskreis festgestellt habe, dann auch kein Problem darzustellen, wenn sie dann zum Beispiel alleine essen gehen. Versucht diesen Trick und ihr werdet merken, dass es euch ganz leicht fällt mit euch allein Spaß zu haben. Denkt daran, dass es den anderen nicht besser geht als euch, nur weil sie einen Ring am Finger haben oder mit ihrem Facebook-Status der ganzen Welt verkünden, dass sie angekettet sind. Ihr seid frei. Genießt es, verdammt nochmal.

Viele sagen sich jetzt bestimmt: „Klar Scarlet, du hast das Selbstbewusstsein, du schaffst das im Handumdrehen, aber ich bin anders.“
Zur Klarstellung: Mir fiel es am Anfang, wie gesagt, auch schwer. Ich habe zwar schon immer das gesagt, was ich gedacht habe, schon immer meinen eigenen Kopf besessen, aber dennoch habe ich mich drastisch verändert. Ich war nie so selbstzufrieden und stark wie heute. Und das habe ich mir selbst zu verdanken, keiner anderen Person. Ich bin mir selbst genug. Es ist ein schwerer, einsamer Weg bis dahin. Aber wenn man durchgehalten, sehr viel Spaß und Freude erlebt hat und am Ende angekommen ist, merkt man, dass man niemals einsam ist. Man hat sich selbst. Und das kann einem niemand nehmen.

Mein Name ist Scarlet – und ich bin die einzige Singlefrau in meinem Freundeskreis. Es könnte mir nicht besser gehen. An alle anderen da draußen, die unter ihrer Einsamkeit leiden: Bewegt euren Hintern von der Couch, werft euch in eure High Heels und Kleider und habt Spaß – mit euch allein. Das schafft ein gesundes, atemberaubendes Selbstbewusstsein, das die Männer dann nämlich wie Fliegen anzieht; und bei mir zu regelmäßigem Sex mit wahnsinnig attraktiven Männern führt.