Editorial der Herausgeber
„Und, habt ihr ES getan?“, fragte mich ein Freund. Auf die Frage reagierte ich äußerst entrüstet, nicht nur aus moralischen Gründen, mehr überhaupt. Und ich sah ihn für die Dauer einer halben Minute nicht mehr an.
„ES getan“, das ist nicht genau. Man weiß nicht was. Das „ES“ ist nur ein Platzhalter, Repräsentant unserer Prüderie; man weiß ja, was geschieht.
„Ja“, sagte ich, „wir haben miteinander geschlafen.“Nun stimmt das nur bedingt, das taten wir hinterher, aber das davor?
Also „liebten“ wir uns. Natürlich habe ich sie davor, während und auch noch danach geliebt. Aber ich liebe auch gutes Essen, meinen Kanarienvogel und meine Großmutter. Und das alles gleichzeitig. Das kann nicht stimmen. Ja, man weiß ja, worum ES geht.
Natürlich fallen mir sofort andere Wörter ein. Keine Angst, ich werde sie aussprechen. Nehmen wir mal „ficken“ – irgendwo zuckt da einer zusammen, verständlich. Denn einer gefühlvolle Frau in einer diesem dieser gefühlvollen Momente zu sagen: „Ich möchte dich ficken.“ Das ist nicht gut. Obwohl in früheren Zeiten „ficken“ ein sehr zärtlicher Begriff war. Damals sagte man auch: „Ich habe sie erkannt.“ Die Sprache ändert sich. Neben einem weiteren ornithologischen Begriff fällt mir „bumsen“ ein. Da steckt Schwung und Kraft drin, aber „bumsen“ klingt zu sehr nach Arbeit, abgesehen von der Vulgarität, man könnte ja genausogut „hämmern“ sagen.
Dann gibt es ja noch den Bereich der Wissenschaften mit ihrer präzisen Sprache. Da werde ich fündig: „Koitus“, „Geschlechtsakt“, „coitieren“ – sagt man auch „coitizitieren“? – oder abgeschwächt „den Liebesakt“ oder ehemals juristisch „die Ehe vollziehen“. Kann ich die denn auch ohne Trauschein… ? Lassen wir das. Das sind Wörter, die nur von desinfizierten Kacheln zurückschallen.
Was sagt die Liebe? Da gibt es schöne Wörter, die leider nur unter Liebenden ausgetauscht werden: „hudeln“ und „schnuckeln“ und dergleichen. Ein schönes schnappte ich neulich in der Bahn auf: „mendeln“. Ja, genau der mit dem Meerschweinchen und dem Mais. Gustav hieß er. Die Liebe formt also ihre eigene Sprache, wenn sie nicht gänzlich darauf verzichtet, was ihr nicht vorzuwerfen ist. Doch unsere Umgangssprache ist verkümmert, ein Spiegelbild unserer Einstellung. Manchmal spricht unsere Sprache gegen uns.
„Erosa“ veröffentlicht Texte, denen es gelungen ist, dieses „ES“ in Worte zu fassen und die Facetten der schönsten (Neben)Sache dieser Welt sprachlich darzustellen, ohne deshalb plump pornographisch zu werden.
„Erosa“ distanziert sich von der meist visuellen Pornographie im Internet. Unser Anliegen ist es, den geheimnisvollen Raum zwischen Liebe und Sex zu ergründen – und dazu gehören auch die humorvollen und die traurigen Seiten der Erotik.
„Erosa“ wünscht ein vielseitiges Lesevergnügen.
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