Buchrezension – „Fucking Good“ von Nina Wagner

Was muss man tun, damit es beim Online-Dating klappt? Wie schleicht man sich aus dem Zimmer nach einem missglückten One-Night Stand? Worauf kommt es der Generation Y wirklich beim Sex an? Nina Wagner klärt auf.

Ein weiteres Buch á la „Feuchtgebiete“ und „Fucking Berlin“? Wieder eine Autorin, welche die Öffentlichkeit gerne an ihrem verkorksten Sexualleben teilhaben lassen möchte? Thema und Lebenslauf der Autorin legen das nahe. Wobei der Lebenslauf nicht so ganz klar zu sein scheint.  So trennt sie sich laut Klappentext nach acht Jahren dramatischer Beziehung, bricht ihr Studium ab und arbeitet in den angesagtesten Clubs in Berlin. Die Beschreibung des Blogs imgegenteil weist sie dagegen als studierte Chemikerin aus. Und in ihrem Buch schreibt sie, dass ihre Clubtätigkeiten schon während ihrer dramatischen Beziehung eine große Rolle spielten. Sicher ist, sie ist Berlinerin und führt ein recht promiskes Leben.

Mit Fucking Good ist zumindest schon mal ein eingängiger Titel gefunden, der sich problemlos in die Riege der oben genannten einreihen ließe. Soll aber nun mit dem Titel darauf hingewiesen werden, dass das Buch Fucking Good ist oder man nach dem Lesen gut im ficken ist – nun, die Lektüre wird es zeigen.

Nina Wagner will mit ihrem Buch keinesfalls noch so einen trägen Sexratgeber auf den Markt bringen, der vorschreibt, wie der perfekte Sex funktioniert. Denn, wie die Autorin schreibt: „Perfekt und Sex passt nämlich nicht zusammen.“ Dem sei erst mal zuzustimmen. Was will die Autorin dann? Ein Buch, geschrieben von einer jungen Frau für junge Menschen. Menschen, dieser ominösen Generation Y angehörig, für die Sex immer nur einen Mausklick oder ein Wisch auf dem Smartphone entfernt zu sein scheint. Menschen, die soviel sexuelle Freiheiten genießen wie keine Generation zuvor und damit scheinbar maßlos überfordert sind. Eine Generation, die aufgeklärt sein müsste – es aber nicht ist.

Die Berlinerin versucht dies, mit ihrem 222 Seiten starken Buch zu ändern. Unterhaltsam verknüpft sie dabei Meinung und Inhaltliches mit ihren eigenen Erlebnissen. Wagner erzählt dabei ihre eigene Geschichte, angefangen beim ersten Mal, ihrer ersten langen Beziehung, aus der sie sich mühevoll lösen konnte bis hin zu ihrem jetzigen Leben mit einer freien, selbstbestimmten Sexualität. Ihr Schreib- und Erzählstil lässt sich gut lesen und regt das ein oder andere Mal zum Schmunzeln an. Es wird kein Blatt vor den Mund genommen, auch nicht, als sie mit ihrer Periode das Bett der Mitbewohnerin ihres One-Night-Stands vollblutet. Aufgelockert wird der Text durch recht eindeutige graphische Illustrationen zu Beginn eines jeden Kapitels.

Vom Beziehungsaus bis zum BDSM-Erlebnis mit einem Unbekannten

Das Buch lässt sich grob in drei Themengebiete teilen – zuerst kommt viel Allgemeines zu Liebe, Beziehung und Sexualität. In vielen Dingen kann ich ihr einfach nur zustimmen. So schreibt sie, dass man sich zuallererst selbst kennenlernen muss, um wirklich guten Sex haben zu können. Sich selbst so zu akzeptieren, wie man ist und sich nicht auf irgendwelche einzelnen Körperattribute reduzieren zu lassen, sind Weisheiten, die Wagner im ersten Teil ihres Buches vermittelt.
Der Untertitel – „Von Tinder und Online-Dates“ – trifft vor allem auf den zweiten Teil des Buches zu. Sie selbst ist bzw. war sehr aktiv, im Online-Dating. Vor allem Tinder hat es ihr angetan, welches man auch liebevoll als Bums-App bezeichnen kann. Von ihren Erlebnissen damit berichtet die junge Berlinerin sehr ausführlich und detailliert.
Im dritten Teil nähert sich das Buch dann doch den eingangs kritisierten Ratgebern an. Im Schnelldurchlauf werden verschiedene Sachen in aufklärerischer Manier durchgesprochen. Angefangen bei Safer Sex – „Kondom! Immer!“, Reden über Sex, Vorspiel, diverse Stellungen, über Wortspiele mit Muschi und Schwanz bis hin zu Analsex, Männertausch und BDSM. Wie auch schon vorher im Buch, gibt es eine kurze Einführung in das Thema mit diversen Tipps und Tricks, welche dann mit einer eigenen Erlebnisstory unterlegt werden. Es sind viele nützliche Dinge dabei, dass es beim Analsex vor allem darauf ankommt, viel Geduld und Gleitgel zu haben oder dass Männer doch endlich mal darauf hören sollen, wenn ihnen die Partnerin schon Tipps beim Lecken und Fingern gibt. Ein großes Defizit in diesem Teil ist aus meiner Sicht das Fehlen der Thematik des Orgasmus. Sie selbst scheint nach ihren Erzählungen leicht und ständig Orgasmen zu haben, egal ob vaginal oder klitoral. Aber für viele Frauen ist der Orgasmus doch stark problembehaftet. Ich hätte mich gefreut, wenn die Autorin gesondert noch ein paar Worte dazu verloren hätte, zumal ihre unkommentierte Orgasmusfreudigkeit doch bei einigen Frauen durchaus Selbstzweifel auslösen könnte á la „Bin ich normal, weil ich nicht so leicht zum Orgasmus komme?“

Kommunikation ist alles …

… das haben nicht nur wir auf erosa bereits festgestellt, sondern auch Nina Wagner. Der Aufruf zur Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit dem Partner aber auch sich selbst gegenüber zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Buch. Kommuniziert man in der Beziehung seinem Partner gegenüber seine Wünsche und Bedürfnisse, dann kann die Beziehung funktionieren. So sagt Wagner gleich zum Anfang über ihre langjährige Beziehung, in der auch Fremdgehen ein Thema war: „Mich verletzten nicht zwangsläufig die anderen Frauen, eher die Unehrlichkeit.“ Und gerade auch im Bett sollte man sich nicht wundern, dass die Lust auf der Strecke bleibt, wenn bestimmte Dinge einfach ertragen werden, anstatt dezent darauf hinzuweisen, dass es z.B. nichts bringt, wenn man „wie bescheuert über ihren Kitzler rubbelt.“ Warum nicht einfach aussprechen, was sich gut anfühlt und Lust bringt und den Partner gegebenenfalls dazu anleiten.

Fazit

Fucking Good Cover Auch wenn das Buch sehr lesenswert ist, gerade für die jüngere Generation, gibt es doch noch ein paar Kritikpunkte. Für den Anspruch, den das Buch hat, schimmert für meinen Geschmack zwischen den Zeilen zu viel Überheblichkeit und Arroganz hindurch. Auch die ein oder andere Ungereimtheit ergibt sich im Text  – so drückt sie an einer Stelle ihren Unmut über Leute aus, die Facebook mit einem Tagebuch verwechseln, während sie selber geradezu suchtähnliche Züge zeigt und ihre Follower bei Instagram, Twitter und Co. ständig über jeden ihrer Schritte auf dem Laufenden hält. Auch rät sie immer wieder dazu, sich mit neuen Dates an wenig frequentierten Bars und ähnlichem zu treffen, damit man ja keine Bekannten trifft. Auf das möglicherweise entstehende Getuschel hat sie nämlich keine Lust und sie will sich auch sonst nicht erklären. Aber ist das nicht genau der falsche Weg? Wenn wir ein positiveres Bild der Sexualität in unserer Gesellschaft verankern wollen, sollten wir dann nicht dazu stehen, was wir tun. Indem wir das was wir tun, verstecken, sagen wir doch geradezu: „ich schäme mich dafür.“ Während wir doch eigentlich genau das gegenteilige Signal aussenden wollen. Sicher ist es anstrengend und nervig, sich irgendwelchen Fragen stellen zu müssen. Klar belastet es einen, wenn man genau weiß, dass hinter einem geredet wird. Aber hey, es hat ja auch nie jemand gesagt, dass es einfach ist, etwas verändern zu wollen…
Aber das alles macht das Buch nicht weniger lesenswert und die Autorin eher noch sympathischer. Sie ist eben auf dem Weg zur sexuellen Selbstbestimmung schon ein gutes Stück vorangekommen, hat aber auch noch ein paar Meter vor sich. Das Wichtigste hat sie jedenfalls schon erkannt und gibt es mit diesem Buch weiter. Sex ist manchmal eben einfach nur Sex. Wenn nicht alle immer eine so große Sache daraus machen würden, sondern einfach ganz normal darüber reden würden, wäre es viel einfacher. Wenn Frauen Lust auf Sex haben, dann sollten sie es äußern können wie Männer, ohne dabei schief angeguckt zu werden.

„Fucking Good“ von Nina Wagner
222 Seiten, Droemer-Knaur-Verlag
9,99 Euro (Kindle 9,99 Euro)
https://www.droemer-knaur.de/buch/8177487/fucking-good