Massagestudios für Sinnliche Massagen kämpfen in Dresden ums überleben. Doch nicht etwa, weil Kunden ausbleiben oder die Steuer kommt, sondern weil der Bund ein neues Prostitutionsschutzgesetz erlassen hat, welches legal und freiwillig arbeitende Sexarbeiterinnen in eine Existenzkrise stürzt. Doch mit unser aller Hilfe gibt es noch einen Hoffnungsschimmer …
Gleich vornweg – den Grundgedanken, Frauen schützen zu wollen, die Schutz bedürfen, begrüße ich sehr. Es kann keineswegs verleugnet werden, dass es auch in Deutschland eine nicht unerhebliche Dunkelziffer an Zwangsprostitution und Zuhälterei gibt. Doch, wir haben bereits Gesetze, die das verbieten und bestrafen. Allein fehlt es wohl an den instrumentalen und personellen Mitteln, diese auch durchzusetzen und das Problem einzudämmen.
Deutschland wird deshalb und aufgrund seiner verhältnismäßig liberalen Gesetzgebung zur Prostitution, von gewissen Kräften in der Öffentlichkeit als Förderer des Menschenhandels dargestellt. Als Mekka der Prostitution.
Was macht der Gesetzgeber also, um diesem Eindruck entgegenzuwirken? Er strickt mit heißer Nadel mal eben ein Gesetz, welches die Missstände beheben und die in diesem Gewerbe tätigen Menschen schützen soll. Um diesen Anspruch noch zu unterstreichen, wird es plakativ mit ProstitutionSCHUTZgesetz betitelt.
Doch, was vielleicht gut gemeint ist, wurde schlecht gemacht – dieses neue, vollkommen unfertige und rechtlich fragwürdige Gesetz löst den selbstproklamierten Anspruch in keinster Weise ein. Stattdessen wirft es die vielen unterschiedlichen Facetten der Branche in einen Topf und schreibt auf der einen Seite einmal groß „PROSTITUTION“ drauf und auf die andere wird ein Totenkopf geklebt. Egal ob Flatratebumsen im Puff, Sex mit Penetration oder eine Tantramassage – alles, bei dem jemand gegen Geld intim berührt wird, gilt als sexuelle Handlung und zählt damit zur Prostitution.
Prostitution soll sich selber abschaffen
Nun geht man natürlich nicht so weit, Prostitution zu verbieten. Vielmehr schafft man Rahmenbedingungen, unter denen eine legale, einvernehmliche Sexarbeit gar nicht mehr möglich ist. Denn bei all der Diskussion über Zwangsprostitution wird oftmals vergessen, dass nicht die gesamte Branche kriminell ist. Es gibt durchaus viele Frauen und Männer, die freiwillig in diesem Beruf arbeiten. Manche aus Leidenschaft, andere schlicht und ergreifend aus finanziellen Gründen. Für die ist das dann einfach ein Job wie jeder andere. Doch damit dürfte es bald vorbei sein.
Da ist zum Beispiel der Hurenpass. Während aktuell die meisten SexarbeiterInnen wohl ein recht unverfängliches Massagegewerbe oder etwas ähnliches für ihre Tätigkeit angemeldet haben, muss jede Sexarbeiterin und jeder Sexarbeiter sich in Zukunft mit Klarnamen als ProstituierteR registrieren lassen. Dafür bekommen sie den von der Branche getauften „Hurenpass“, den sie dann auch immer schön hübsch bei sich tragen sollen.
Bei der Stigmatisierung, die allgemein für diesen Berufszweig herrscht, werden es sich viele der freiwilligen Frauen und Männer überlegen, ob sie diesen Beruf weiter ausüben wollen und können. Denn so wirklich weiß niemand, was mit den Daten geschieht und wo sie landen. Kann sich die Lehramtsstudentin, die sich ihr Geld nebenbei bei einem Escortservice verdient, sicher sein, dass davon nicht doch etwas ans Licht der Öffentlichkeit gelangt? Wir können getrost davon ausgehen, dass sie dann nie vor einer Klasse wird stehen dürfen. Oder der Beamte, der nebenher leidenschaftlich gerne Tantramassagen gibt, der auf einmal Angst davor hat, seinen Job zu verlieren, weil sein Arbeitgeber von seiner Nebentätigkeit Wind bekommen könnte.
Verwaltungstechnisch nicht durchsetzbar
Während also die freiwillig, legal arbeitenden und Steuern zahlenden Sexarbeiterinnen so aus dem Geschäft gedrängt werden, lachen sich Menschenhändler und Zuhälter ins Fäustchen. Denn zu lukrativ ist das Geschäft, als dass sie sich von solchen Regularien abhalten lassen – die Kriminellen haben noch immer einen Weg gefunden. Zumal sich das Gesetz als kaum umsetzbarer Papiertiger entlarven wird – denn über die Umsetzbarkeit, darüber hat sich der Gesetzgeber keine Gedanken gemacht.
Die ist den Ländern und Kommunen selbst überlassen und die rätseln bis heute, wie sie das Gesetz anwenden sollen. Denn Geld für zusätzliches Personal haben sie auch nicht bekommen. Das ist aber nötig. Denn wie sonst sollen die neuerdings verpflichtenden jährlichen Arztbesuche der Sexworker gestemmt oder die Einhaltung der eingeführten Kondompflicht überprüft werden?
Sperrgebietsverordnungen und Betreiberkonzessionen
Doch nicht nur für die SexarbeiterInnen brechen düstere Zeiten an, sondern auch für die Betreiberinnen und Betreiber diverser Etablissements. Denn was bisher ein Anzeigepflichtiges Gewerbe war, wird zu einem Erlaubnispflichtigen Gewerbe, was wiederum den genehmigenden Personen in der Verwaltung jeglichen Ermessensspielraum nimmt.
Das Problem dabei sind die sogenannten Sperrgebiete, welche jede Kommune und jedes Bundesland selber regeln kann. In Dresden sind die Regelungen zum Beispiel besonders streng. Dort erstreckt sich das Sperrgebiet über Großteile der Innenstadt – in diesem Bereich dürfen keine entsprechenden Etablissements betrieben werden. Hinzu kommt, dass im Umkreis von 200m von einer sozialen Einrichtung, z.B. Kirche, Friedhof, Kindergarten, Pflegeheim usw., auch kein Sexarbeitergewerbe tätig sein darf. Hat man diese Regelungen bisher oftmals recht lax gehandhabt, solange es keine Beschwerden gab, müssen sie mit dem neuen Gesetz strikt durchgesetzt werden.
Bleibt für Sexarbeiter und Sexarbeiterinnen also nur der Stadtrand und Gewerbegebiete als Orte zur Ausübung ihrer Tätigkeit. Jedem Menschen mit gesundem Menschenverstand wird sich erschließen, dass diese Verdrängung genau das Gegenteil des anvisierten Schutzes zur Folge hat. Frauen müssen außerhalb jeglicher Sicherungsysteme ihrer Arbeit nachgehen. Das ist eher eine Förderung von Kriminalität als die Bekämpfung derselben.
Weiterhin müssen in Zukunft für die Betreibung Konzessionen erworben werden. Diese Konzessionen kosten Geld. Geld, das die Betreiber von Laufhäusern und Megapuffs haben, denen es nur um den Profit geht. Geld, das jedoch die Betreiberinnen und Betreiber von kleineren „Läden“, denen was an ihren Frauen liegt, und die ihre MitarbeiterInnen nicht nur als Ware betrachten, nicht haben. Auch hier findet wieder eine Verdrängung der legalen, sexpositiven Angebote statt. Ohne Not werden so Arbeitsplätze zerstört und Frauen, die auf das Geld angewiesen sind arbeitslos oder in die Schwarzarbeit und Illegalität gedrängt.
Sexarbeit ist gleich Sexarbeit?
Ähm nein, ist sie nicht! Das Gesetz lässt völlig außer Acht, dass die Sexarbeit weitaus differenzierter ist, als gemeinhin behauptet. Denn in diesem Bereich gibt es viele verschiedene Arbeitsfelder. Da wäre zum Beispiel die klassische Prostitution – Mann geht zur Frau und bezahlt sie, damit sie Sex haben. Dort steht in der Regel die reine Bedürfnisbefriedigung im Vordergrund. Und das ist auch gut so, es gibt den Bedarf danach, demnach gibt es auch ein Angebot. Obwohl auch in diesem Bereich oftmals die Männer nicht nur für den Sex kommen, sondern damit auch ihrer Einsamkeit entfliehen wollen oder einfach nur jemanden zum Reden suchen.
Darüber hinaus gibt es aber auch Angebote, die weit über diese reine Bedürfnisbefriedigung hinausgehen und auch einen therapeutischen Ansatz haben. Tantramassagen zum Beispiel – dort gibt es keinen Sex, sondern eine ganzheitliche Massage mit einer Intimmassage, bei der es zum Orgasmus kommen kann, aber nicht muss. Die Sache ist, dass es dabei vordergründig gar nicht um die Triebbefriedigung geht, sondern ein tieferes Berühren des Menschen. Der Paar- und Sexualtherapeut Dr. Frank Pietzcker hält zum Beispiel genau dieses Angebot für unfassbar wichtig. „Wenn man eine Sozialphobie behandelt, geht man mit dem Menschen ins Stadion, aber was macht man mit einem Menschen, der Probleme mit seiner Sexualität hat?“, fragt er. Er selbst arbeitet eng mit dem Massage- und Seminarzentrum Sinnesart zusammen. Er empfiehlt seinen Patienten, die Angebote bei Sinnesart wahrzunehmen und hat bisher gute Erfahrungen damit gemacht. Die Massagen bieten einen Erfahrungsraum, den es sonst nicht gibt und in dem die Menschen ihre Sexualität frei erleben und entfalten können.
Ebenso der Beruf der Sexualbegleiterin für behinderte und ältere Menschen steht durch das neue Gesetz vor dem Aus. Ist schließlich schwierig, einen Termin in einem Pflegeheim wahrzunehmen, wenn im Umkreis von 200m von diesem keine sexuellen Handlungen gegen Geld angeboten werden dürfen. Dabei ist auch gerade diese Arbeit unglaublich wichtig. Dass auch diese Menschen ein Recht auf eine eigene Sexualität haben, ist mittlerweile auch Konsens in der Pflege, sind es doch oft die BetreuerInnen, welche die Sexualbegleiterinnen buchen.
Massagestudios retten – Petition unterzeichnen
All diese Angebote sind von dem Prostitutionsschutzgesetz bedroht, das bereits in Kraft getreten ist, aber noch der Ausführung in den Bundesländern harrt. In Sachsen wird wohl das Ausführungsgesetz zum ProstSchG im März im Landtag beschlossen, was das Aus für dresdner Massagestudios wie das Sinnesart bedeuten würde. Da jedes Land und jede Kommune über spezifische Regelungen zum Sperrgebiet oder der Klassifizierung von Tantramassagen selbst entscheidet, könnte dies noch verhindert werden. Es könnten zum Beispiel die Sperrgebiete eingegrenzt oder Tantramasseurinnen aus dem Kreis der Betroffenen ausgeschlossen werden. Wie es zum Beispiel in Berlin gemacht wird – dort können Tantramasseurinnen ihrer Arbeit wie gehabt weiter nachgehen. Für andere Sexarbeiterinnen bliebe die Problematik jedoch trotzdem bestehen.
Über 100.000 Massagen haben die dresdner Massagestudios in den letzten Jahren gegeben, meint Kati Laux. Der Bedarf nach einem sinnlichen, ganzheitlichen Angebot ist also da. Die Massagen und Seminare werden auch zunehmend von Singles und auch Paaren besucht, um mehr über ihre eigene Sexualität zu erfahren und diese auch zu leben. Wohin sollen all diese Menschen gehen, wenn es Sinnesart und Co. nicht mehr gibt? Dabei ist das doch eine so wichtige Arbeit – denn seien wir mal ehrlich, wären wir sexuell alle etwas zufriedener, dann gäbe es einfach nicht so viele Konflikte. Insofern dient Prostitution auch gewissermaßen als eine Art Ventil, bei dem viel Druck und Konfliktpotential abgebaut wird.
Kati weiß um die Bedeutung ihrer Arbeit und will das Feld deshalb auch nicht kampflos räumen. Mit einer Petition kämpft sie gegen das scheinbar unvermeidliche und versucht Politiker und Co. zum Umdenken zu bewegen.
Unterstützt sie jetzt und unterzeichnet die Online-Petition „Finger weg! von sinnlichen Massagen! Für den Erhalt von Berührungsangeboten und Selbstbestimmung!“
Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung von Sinnesart.