Jeder Mensch möchte geliebt werden. Und jeder Mensch möchte lieben. Doch kann man zuviel lieben? Oder zuviel geliebt werden?
In einem Interview, das ich ich bei Spiegel online gefunden habe, wurden junge Männer interviewt, wann sie Gefühle zeigen und wann nicht. Einer der Befragten (19 Jahre) sagte: „Wenn man zu oft ‚ich liebe dich‘ sagt, dann verliert es an Bedeutung.Man darf bei Frauen keine Schwäche zeigen. Man muss hart sein, sonst verliert man sie.“ (Quelle) Das erinnert stark an die These, Frauen stehen eher auf Machos als auf Softies. Doch ist das wirklich so? Muss ein Mann seine Gefühle zurückhalten, weil er sonst zu weich wird? Mögen Frauen keine weichen Männer? Sind Männer, biologisch bedingt, darauf geprägt, die Alpha-Position einzunehmen und wenn sie das nicht tun, dann tanzen ihnen die Frauen auf der Nase herum?
Wenn man dieses Thema so betrachtet, macht man zum einen den Fehler, zu stark in Extremen zu denken. Es gibt mehr als nur Machos oder nur Softies, auch wenn es kaum einen Bezeichnung dafür gibt. Es gibt unzählige Formen zwischen ganz hart und ganz weich. Ausserdem sind Männer wie Frauen in unterschiedlichen Kontexten dominant oder nicht. Vielleicht kann einer von beiden besser Autofahren, der/die andere hat dafür mehr Ideen, was man in der Freizeit machen könnte. Oder einer von beiden zeigt häufiger die Initiative für Sex. Wenn man anfängt, genau hinzuschauen, wo man sich einen Mann eher stark wünscht und wann nicht, wird es zwar schwieriger, weil man differenzieren muss, aber andererseits wird damit der Blick weiter und die Perspektive flexibler.
Es ist auch egal, ob es um Mann oder Frau geht: niemand möchte jemanden haben, der sich immer nur stark gibt, der keine Gefühle zeigt, und immer sagen muss, wo es langgeht. Auf Dauer macht es niemanden an, wenn das Gegenüber nicht bereit ist, sich auch für die Bedürfnisse des anderen zu öffnen. Im Gegenzug dazu möchte niemand jemanden an seiner Seite haben, der immer nur sagt: Ja, du hast recht. Ja, wir machen das, was Du möchtest. Mir ist das egal, ich habe da keine eigenen Wünsche. So jemand hat keine Kontur, keine Persönlichkeit, mit der man interessante Dinge erleben kann, mit dem/der man sich auch streiten und dadurch weiterentwickeln kann.
Man kann auch Gefühle zeigen, ohne dabei schwach zu werden. Man kann jemanden zutiefst lieben und doch zeigen, wo die eigenen Grenzen und Wünsche sind. Natürlich wird man verletzlicher, wenn man sein Herz öffnet. Doch Verletzlichkeit bedeutet nicht zwangsweise Abhängigkeit oder Bedürftigkeit.
Kann Liebe also zuviel werden? Sie wird dann zuviel, wenn man über Liebe die eigene Bedürftigkeit erfüllen möchte. Manche sagen nur „Ich liebe Dich“, weil sie hoffen, dann auch geliebt zu werden. Oder weil sie die Nähe brauchen, um eine innere Leere zu füllen. Oder um den anderen festzuhalten, frei nach dem Motto: Ich liebe dich, also verlass mich nicht. Wenn Liebe missbraucht wird um eigene emotionale Schwächen zu stillen, dann kann sie zuviel werden. Aber wer liebt, weil er liebt, weil er geben möchte, ohne auf eine emotionale Rückzahlung zu hoffen, der kann niemals zuviel lieben oder zuviel geliebt werden.